© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/10 19. März 2010

Mugabe gilt immer noch als Vorbild
Vor zwanzig Jahren wurde Namibia unabhängig: Die frühere Kolonie hat immer noch starke Bindungen nach Deutschland
Hans Christians

Die verspätete Nation. Das gilt nicht nur für das Deutsche Reich, das erst 1871 zur Nationalstaatlichkeit fand, sondern genauso für seinen kolonialen Ableger im Südwesten Afrikas – Namibia. Am 21. März jährt sich die Unabhängigkeit des Landes zum zwanzigsten Mal. Zum Zeitpunkt der Selbständigkeit zwischen den Flüssen Kunene und Oranje blickten die postkolonialen Staaten des Schwarzen Kontinents in der Mehrzahl bereits auf dreißig Jahre Unabhängigkeit zurück, in der manche Hoffnung auf Prosperität und gesellschaftliche Emanzipation, die sich Anfang der sechziger Jahre äußerte, der Ernüchterung infolge von Mißwirtschaft, Bürgerkrieg und der fast flächendeckenden Herausbildung teils grotesker diktatorischer Regime gewichen ist.

Die Bevölkerungsmehrheit der Ovambo wählt die Swapo

Unter seinem kolonialen Namen Deutsch-Südwestafrika ist das Land vielen auch heute noch geläufig, was mit dem immer noch lebendigen Erbe zu tun hat. Im Jahre 1883 erreichten die ersten deutschen Händler die dünnbesiedelten Gebiete zwischen Namib-Wüste und Kalahari, wenige Zeit später wurde Südwestafrika im Verlauf der Berliner Konferenz unter „Schutz“ des Deutschen Reiches gestellt. Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg und Versailles verlor Deutschland all seine Kolonien, und Südafrika wurde als Mandatsmacht eingesetzt. In dieser Zeit wurden viele Auswanderer des Landes verwiesen, bis im Zuge des Londoner Abkommens 1923 den verbliebenen Deutschen ein Bleiberecht eingeräumt wurde. Den 1946 einsetzenden Versuchen der Vereinten Nationen, Namibia in die Unabhängigkeit zu entlassen, widersetzte sich Südafrika bis 1989 vehement. Es kam zum blutigen Stellvertreterkrieg zwischen dem prowestlichen Apartheidstaat und den vom sozialistischen Angola protegierten nambischen Swapo-Rebellen, die auf logistische und auch militärische Unterstützung des „sozialistischen Lagers“ bauen konnten. Mit der Entspannung in der Weltpolitik endete auch dieser Konflikt (Waffenstillstand zwischen Südafrika und Angola 1988), so daß im November des gleichen Jahres die ersten freien Wahlen stattfinden konnten, die die Swapo-Partei des „Revolutionsführers“ Sam Nujoma klar gewann. Da diese Bewegung im wesentlichen auf die Stimmen der Ovambo-Bevölkerungsmehrheit zählen kann, stellt die Swapo seitdem naturgemäß auch die Regierung, seit 2005 unter dem Ovambo Hifikepunye Lucas Pohamba.

Doch noch immer befindet sich Namibia im Strukturwandel, ist auf der Suche nach einer eigenen Identität. So ist beispielsweise der bedeutenste Wirtschaftszweig des Tourismus immer noch ausbaufähig. Die Gewöhnung an eine fremde Kultur, so werben die Reiseveranstalter, fiele deshalb so leicht, weil vieles im Südwesten Afrikas noch eine deutsche Handschrift trüge. Es gibt deutsche Auswanderer in der dritten oder gar vierten Generation, die Deutschen sowohl Quartier und als auch Starthilfe anbieten. Die Zahl derer, die Mitteleuropa verlassen oder auf den Spuren ihrer Vorfahren wandeln wollen, wächst kontinuierlich.

Platz bietet Namibia trotz seiner Kargheit zur Genüge. Von der Fläche her ist das Land so groß wie die Bundesrepublik, allerdings leben dort derzeit nur etwa zwei Millionen Einwohner. Die Tendenz ist allerdings stark ansteigend, im Schnitt bekommt jede schwarze namibische Frau 3,5 Kinder. Dies führt dazu, daß die weiße Bevölkerung prozentual abnimmt und das Selbstbewußtsein der Schwarzen wächst.

Den etwa 22.000 Deutschen, die derzeit dort leben, bereitet dies Sorgen. Gerade in den Reihen der Farmer wächst die Angst vor Übergriffen und Enteignungen. Simbabwe mit seinem Despoten Mugabe gilt immer noch als Vorbild bei der „Überwindung des weißen Kolonialismus“, die ehemalige Leutweinstraße in Windhuk trägt bereits seit Anfang der Neunziger den Namen „Dr-Robert-Mugabe-Avenue“. Es ist noch kein Jahr her, da sorgte ein Wahlkampfauftritt des ehemaligen Staatspräsidenten und einstigen Revolutionsführers Nujoma für Aufsehen. Mit Blick auf die Angehörigen der evangelisch-lutherischen Kirche sagte er: „Wenn sie sich nicht benehmen, werden wir sie angreifen. Und wenn sie dann ihre weißen Freunde aus Deutschland rufen, dann schießen wir ihnen in die Köpfe.“ Diese Drohung wurde so ernst genommen, daß sie ein außenpolitisches Nachspiel hatte. Über den Botschafter ließ die Bundesregierung der Staatsführung eine Protestnote zukommen. Kenner der politischen Landschaft wie die Redakteure der deutschsprachigen Allgemeinen Zeitung (AZ) in Windhuk versuchten zwar ihre Landsleute zu beschwichtigen, doch ein unangenehmes Gefühl blieb.

Jährlich 56 Millionen Euro Entwicklungshilfe aus Berlin

Zumal sich die Bundesregierung den Umbau Namibias in einen modernen Staat einiges kosten läßt: Mit zirka 56 Millionen Euro im Jahr zahlt die Bundesrepublik pro Kopf an kein Land mehr Geld als an Namibia. Davon zehn Millionen Euro für ein Versöhnungsprogramm wegen der blutigen Niederschlagung des Herero-Aufstands von 1904. In der „Schlacht am Waterberg“ und danach verloren damals Tausende Hereros ihr Leben, die vor der kaiserlichen „Schutztruppe“ in die Kalahari-Wüste auswichen und dort durch Hunger und Durst starben. Dieses Geld fließt bei weitem nicht nur in Projekte, die von deutschen Auswanderern betrieben werden. Vor allem die Infrastruktur und Maßnahmen zur Aids-Prävention werden finanziert.

Obwohl Namibia mittlerweile ein afrikanischer Musterstaat in Sachen Gesundheitspolitik ist, sind über zwanzig Prozent der Bevölkerung bis vierzig Jahre mit HIV infiziert. Zudem beträgt die Arbeitslosenquote immer noch rund dreißig Prozent. Diese Problemfelder, so befürchten Experten im Auswärtigen Amt, könnten der Nährboden für Tendenzen sein, die vorwiegend zur sozialen Oberschicht gehörende deutsche Minderheit zu Sündenböcken zu machen.

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