© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/10 26. März 2010

Zeitschriftenkritik: RetroTrend
Spaß an der Nostalgie
Christian Vollradt

Frühling läßt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte. Und deswegen streifen bald nicht nur süße Düfte, sondern auch Heerscharen in buntes, enganliegendes Polyester gewandete Freizeitradler auf ihren gabelgefederten Trekking-Tretmühlen das Land. In Großbritanniens Kapitale London hat sich nun eine Gegenbewegung etabliert: Wie erstmals im vergangenen, so ziehen auch in diesem März wieder rund 150 Pedalritter unter dem Schlachtruf „Banish the Lycra“ für mehr Stil auf zwei Rädern zu Felde. „Tweed Run“ nennt sich der Traditionalisten-Aufzug, und entsprechend fällt die Kleidung der Teilnehmer aus; es dominieren Sport-Sakko und Knickerbocker.

Mit einem Bildbericht über diesen augenzwinkernd gemeinten insularen Protest unter der karierten Tweed-Fahne eröffnet Chefredakteur Jürgen Lossau auf einer Doppelseite die Premieren-Nummer von RetroTrend – Magazin für Klassiker. Sechsmal im Jahr sollen auf knapp hundert Hochglanzseiten solide Handarbeit, legendäres Design und erfolgreiche Marken porträtiert werden. Denn, so verkündet Lossau, der ursprünglich als Fernsehjournalist unter anderem für die ARD und Spiegel-TV tätig war, in seinem Editorial: „Es gibt sie noch, diese Dinge.“ Das klingt ein bißchen nach Manufactum-Katalog – vielleicht nicht ganz zufällig, da es in punkto Zielgruppe Überlappungen gibt. Die ortet RetroTrend offensichtlich unter jenen „Lifestyle“-Bewußten, die ihre Kindheit in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren verlebt haben; die heute als Sammler nach „Youngtimer“-Autos Ausschau halten, mit denen sie einst in den Familienurlaub verfrachtet wurden; die ihre Lieblingsmusik lange vor Erfindung der MP3-Geräte aus dem Radio mitgeschnitten haben. Deren „Weißt Du noch?!“-Gefühl wird ausreichend bedient mit Artikeln über „Das tägliche Rennen zur Schule mit dem BMW 2002tii“ oder der ausführlichen Hommage an die fast schon ausgestorbene MC („Wir Kassettenkinder“). Vor allem von dieser Generation wird wohl auch Frederick Jöttens sentimentale Geschichte über die finale Besichtigung seines Aufkleber-übersäten Kinderzimmers am besten verstanden werden.

Weniger launig und dafür eher banal ist leider der Rückblick auf den Quelle-Katalog geraten; fast zu detailversessen schildert Michael Gubisch den legendären London-Doppeldecker. Foto-Fachmann Lossau selbst hat das Kodachrome-Dia zum 75. Geburtstag ausführlich gewürdigt und einen Unternehmer interviewt, der das Polaroid-Sofortbild retten will. Dazu gibt es noch Unterhaltsames über selbstgebaute Hallig-Bahnen und ein Rezept für Gourmet-Buletten.

Natürlich ist die Nostalgie der Feind des (politischen) Konservatismus – gerade wenn sie so verführerisch daherkommt. Deswegen soll auch nicht der Eindruck erweckt werden, RetroTrend sei ein Magazin von Konservativen für Konservative – im Gegenteil. Doch das üppig illustrierte Heft ist ansprechend gemacht und – mit wenigen Ausnahmen – alles in allem unterhaltsam geschrieben. Wem der Spaß trotz Überdrusses an der Überdrußgesellschaft (noch) nicht vergangen ist, der wird ihn an diesem Magazin sicherlich haben. 

Anschrift: RT-Magazin, Sierichstraße 145, 22299 Hamburg. Das Einzelheft kostet 6 Euro, das Jahresabonnement 30 Euro, Internet: www.rt-magazin.de

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