© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 13/10 26. März 2010 Frisch gepresst Ostpreußen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das in schönstem Flore stehende Konstrukt der Konstruktion kollektiver Identität, das sich vor allem unter Historiographen der deutschen Landesgeschichte des 19. und frühen 20. Jahrhunderts größter Beliebtheit erfreut, auch einmal der deutschen Provinz Ostpreußen appliziert würde. Robert Traba, langjähriger Referent im Deutschen Historischen Institut Warschau und derzeit Direktor einer Dependance der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Berlin, hat einen entsprechenden Versuch 2007 in seiner Muttersprache publiziert, den nun Peter Oliver Loew ins Deutsche übersetzte (Ostpreußen die Konstruktion einer deutschen Provinz. Eine Studie zur regionalen und nationalen Identität 19141933. Fibre Verlag, Osnabrück 2010, gebunden, 518 Seiten, Abbildungen, 39,80 Euro). Zu den zentralen Kapiteln gehören seine Sondierungen zu Symbolen und politischen Ritualen, konzentriert auf das Tannenberg-Denkmal und die Inszenierung der Hindenburg-Verehrung, die dem Retter Ostpreußens galt. Auffällig schwach fallen die Deutungen zur imaginierten Realität aus, wie sie Dichtung (Sudermann, Wiechert, Miegel) und Wissenschaft komponierten. In diesem Kontext fragt Traba, wie denn die Landschaft die Entstehung von kollektiver Identität beeinflusse. Ein Antwort darauf bleibt er leider schuldig. Ansonsten folgt er hier vielfach dem Posener Germanisten Hubert Orlowski, der mit dem erstaunlichen Befund aufwartete, der ostpreußischen Heimatdichtung sei ein antizivilisatorischer Impuls eigen. Eine klaffende Forschungslücke ist mit Trabas erstem Zugriff also noch lange nicht geschlossen.
Durch die Hölle. Die Kriegserlebnisse des Frontsoldaten Josef Hödl, eines niederbayerischen Bauernsohnes, bieten keine erbauliche Lektüre. Zuviel ist vom Sterben die Rede. Unwillkürlich möchte man diese Notate daher mit dem deutschen Titel des Hollywood-Films Deer Hunter vom 1978 über den Vietnamkrieg überschreiben: Die durch die Hölle gehen. Hödl, der Inbegriff eines einfachen Landsers, wurde 1940 als 19jähriger eingezogen und durchlitt vier Jahre Ostfront und vier Jahre sibirische Gefangenschaft, wobei er mehr als einmal nur auf wundersame Weise überlebte. Nach seinem zweiten Geburtstag, dem Tag der Rückkehr in die Heimat 1949, endete aber Hödls Krieg nicht. Posttraumatische Qualen, die er auch mit der schriftlichen Fixierung seiner Schreckensjahre nicht ganz bannen konnte, trugen zu einem frühen Lebensende bei. Christian Hödl entschloß sich dreißig Jahre später, die Aufzeichnungen seines Vaters, von ihm redigiert und behutsam um Zeithistorisches ergänzt, zu veröffentlichen (Bei uns wurde viel gestorben. Reiner Saunar Verlag, Aldersbach 2009, 198 Seiten, Abbildungen, 12,50 Euro). |