© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/10 02. April 2010

Friedrich Ebert geht leer aus
Schleswig-Holstein: In Kiel will die SPD eine Straße nach dem Kommunisten Ernst Busch benennen
Hans-Joachim von Leesen

In der schleswig-holsteinischen SPD, die traditionsgemäß weit links angesiedelt ist, bilden die Kieler Genossen die Spitze. Immer noch wird in ihren Reihen der Jahrestag der Meuterei der Hochseeflotte im November 1918 gefeiert, und immer noch nimmt man es Friedrich Ebert, dem ersten Reichspräsidenten der Weimarer Republik, und seinem Wehrminister Gustav Noske, ebenfalls Sozialdemokrat, übel, daß sie die kommunistischen Aufstandsversuche im Reich mit Hilfe der Freikorps niedergeschlagen haben.

Kein Wunder also, daß in der Landeshauptstadt Kiel bis heute keine einzige Straße oder Gedenkstätte an den ersten Reichspräsidenten erinnert – von Gustav Noske ganz zu schweigen. Erst kürzlich scheiterte der Antrag der Kieler CDU, eine Straße nach dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert zu benennen. Der Ortsbeirat Gaarden, in dem SPD, Linke und Grüne die Mehrheit haben, beschloß statt dessen, dem Rat den Namen „Ernst-Busch-Weg“ zu empfehlen.

Ernst Busch scheint ein Liebling der Kieler Sozialdemokraten zu sein. Bereits 2001, dann erneut 2003 preschten die Genossen vor, um den „Arbeitersänger“ durch einen Straßennamen zu ehren. Das mißlang. Jetzt halten sie offenbar die Zeit für reif, den Versuch zum dritten Mal zu starten.

Busch, 1900 in einer Kieler Arbeiterfamilie geboren, war Werftarbeiter. In den zwanziger Jahren entdeckte er sein Interesse fürs Theater und wurde nach einer kurzen Ausbildung auch tatsächlich vom Kieler Theater für kleinere Rollen engagiert. Dann tingelte er durch Ostdeutschland, bis er von dem kommunistischen Theatermacher Erwin Piscator entdeckt wurde. Der hatte das Proletarische Theater gegründet, in dem auch Laiendarsteller durch Propaganda dem Publikum die Grundsätze der kommunistischen Ideologie vermitteln sollten.

Busch, so meinte Piscator, sei nicht nur der äußeren Erscheinung nach, sondern auch in der Stimmlage der Prototyp des Proleten. Er machte ihn zum Star, der zunehmend auch tragende Rollen vorwiegend in Stücken kommunistischer Autoren wie Walther Mehring, Ernst Toller oder Bert Brecht spielte. Populär wurde er als Interpret kommunistischer Kampflieder wie „Das Lied der Einheitsfront“, das „Solidaritätslied“, „Thälmannkolonne“ und „Roter Wedding“.

1933 emigrierte er nach Holland und zwei Jahre später in die Sowjetunion. Er wurde Mitarbeiter von Radio Moskau und zog, Agitproplieder singend, durchs Paradies der Werktätigen. Vom Stalinschen Terror nahm er keine Notiz. Als der Bürgerkrieg ausbrach, zog es ihn zwar nicht an die spanische Front, wohl aber ins Hinterland, um mit seinen Liedern die Kampfmoral der Rotspanier zu stärken.

Nach dem Sieg der Franco-Truppen gelangt er über Belgien nach Frankreich, wo er beim Versuch, in die Schweiz zu türmen, geschnappt und an Deutschland ausgeliefert wird. Wegen Vorbereitung zum Hochverrat verurteilt man ihn zu vier Jahren Zuchthaus, aus dem er von den Sowjettruppen befreit wird. Er wird von ihnen zum Kulturdezernenten von Berlin-Wilmersdorf ernannt, wechselt dann aber in den Sowjetsektor über, wo er schnell zum Star wird. Er singt im Rundfunk und auf Veranstaltungen der SED, deren Mitglied er wird. Schallplatten mit seinen Songs werden in großer Zahl produziert. Nach der Gründung der DDR wird er bald mit Ehrungen überhäuft: Als einer der ersten erhält er den neu geschaffenen Nationalpreis der DDR, zunächst 3. Klasse, dann 2. Klasse.

Unverändert pflegt er in seinen Liedern den Kurs der zwanziger Jahre, der auf Zersetzung und Zerstörung der Wirtschaftsordnung gerichtet ist. Das paßt nicht mehr in die Politik des DDR-Staates. Man fordert ihn auf, seinen Kurs zu ändern. Er fühlt sich beleidigt und läßt seine SED-Mitgliedschaft ruhen, kann aber weiterhin ungestört als Sänger und Schauspieler tätig sein. Weiterhin wird er mit Preisen reich beschenkt: Der Hans-Beimler-Medaille folgen die Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus, der Vaterländische Verdienstorden in Silber, die Johannes-R.-Becher-Medaille. 1965 erhält er den Vaterländischen in Gold, dann die Erich-Weinert-Medaille. 1972 überreicht ihm der sowjetische Botschafter den internationalen Lenin-Preis und drei Jahre darauf den Orden für Völkerfreundschaft. Als er 1980 stirbt, nimmt an der pompösen Trauerfeier fast die gesamte Partei- und Staatsführung der DDR teil, von Erich und Margot Honecker über Kurt Hager bis Hermann Axen. Noch heute ist die wohl bedeutendste deutsche Schauspielschule in Berlin nach Ernst Busch benannt.

Während die Kieler SPD dem ersten sozialdemokratischen Reichspräsidenten Ebert weiterhin jede Ehrung verweigert, soll nun in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt eine Straße nach diesem in der Wolle gefärbten Stalinisten benannt werden – ein kleiner Schritt voran auf dem Wege in die DDR light.

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