© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 14/10 02. April 2010
Streit unter Freunden Mouin Rabbani, Redakteur des Washingtoner Middle East Report, traf wohl den Kern der Sache, als er in einem Interview meinte, bei den jüngsten israelisch-amerikanischen Dissonanzen handle es sich um keine echte Krise, sondern um einen Streit unter Freunden, die den Nahen Osten aus demselben Blickwinkel betrachteten und identische Lösungen für die vorhandenen Probleme anstrebten. Derselbe Blickwinkel meint hier, daß die USA sowieso davon ausgingen, daß Israel bei einem Abkommen mit den Palästinensern die Kontrolle über Jerusalem behalten und sich auch nicht aus dem mit israelischen Siedlungen durchsetzten Westjordanland zurückziehen werde. Im Kern ging es demnach bei den zurückliegenden Streitigkeiten um den Stil Netanjahus, der ohne irgendeinen Kompromißwillen erkennen zu lassen mehr oder weniger das tut, was er oder seine Regierung für geboten hält. Dazu gehören zum Beispiel Bautätigkeiten im arabischen Teil von Jerusalem. Hierzu erklärte Netanjahu auf einer Konferenz der proisraelischen Lobbygruppe Aipac in Washington am 22. März: Das jüdische Volk hat vor dreitausend Jahren in Jerusalem gebaut, und das jüdische Volk baut heute in Jerusalem. Jerusalem ist keine Siedlung. Jerusalem ist unsere Hauptstadt. Was das konkret bedeutet, unterstrich der konservative Likud-Chef im Vorfeld seiner Gespräche mit US-Präsident Barack Obama im Rahmen seiner Washington-Visite, als er damit drohte, der Friedensprozeß könne für ein Jahr blockiert werden, falls die Amerikaner die unsinnige Forderung der Palästinenser unterstützten, den Siedlungsbau in Ost-Jerusalem und Westjordanland einzufrieren. Entsprechend kühl fiel nach diesen Erklärungen der Empfang Netanjahus bei Obama aus. Mit dieser Auskunft hat die US-Regierung eine deutliche Quittung für ihren Wackelkurs in der Frage des Siedlungsbaus bekommen. Auf seiner Kairoer Rede an die muslimische Welt forderte Obama einen vollständigen Siedlungsstop Ost-Jerusalem schloß er später ausdrücklich mit ein als Voraussetzung für Nahostverhandlungen. Dann erklärte US-Außenministerin Hillary Clinton auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Netanjahu Ende Oktober 2009, daß die USA einen vollständigen Stopp ablehnten. Die vagen Versprechungen Netanjahus, den Siedlungsbau zu begrenzen Ost-Jerusalem nahm er dabei ausdrücklich aus , lobte Clinton gar als beispiellos. Vor diesem Hintergrund wirkt die scharfe Kritik Clintons an dem Beschluß, im annektierten Ostteil Jerusalem 1.600 neue Wohneinheiten bauen zu wollen (JF 12/10), nicht gerade besonders überzeugend. Das ist ein Beleg mehr für Rabbanis Vermutung, daß es vor allem das Verhalten Netanjahus ist, der auch vor einer Brüskierung seiner engsten Verbündeten nicht zurückschreckt, das die USA nicht weiter zu akzeptieren bereit sind. Von diesem Verhalten hat auch Bundeskanzlerin Merkel einen Eindruck erhalten. Im August letzten Jahres soll Netanjahus enger Berater Uzi Arad den Merkel-Vertrauten Heusgen während eines Telefonats angeschrien haben. Arad hatte im Vorfeld einer Visite Netanjahus in Berlin mehr oder weniger ultimativ eingefordert, daß die Siedlungsaktivitäten aus den Gesprächen ausgeklammert werden. Jetzt hat Netanjahu eine Vertrauenskrise mit Berlin heraufbeschworen, weil er Teile eines harten und unwirsch geführten diskreten Gesprächs in seinem Sinn zu nutzen versuchte. Inhalte dieses Gesprächs fanden dann Eingang in die Berichterstattung israelischer Zeitungen. Netanjahu hatte behauptet, er habe Merkel auf eigene Initiative hin angerufen, um die israelische Politik in Jerusalem zu erklären. Tatsächlich hatten sich aber die Amerikaner mit der Bitte an die Kanzlerin gewandt, Netanjahu anzurufen, um ihm deutlich zu machen, daß die EU die Baupläne in Ost-Jerusalem als Rückschlag für die Friedensbemühungen betrachte. |