© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 15/10 09. April 2010
Das letzte Gefecht des Politrentners Ist er immer noch oder schon wieder da? Diese Frage haben sich zahlreiche Parteifreunde gestellt, nachdem Oskar Lafontaine vor rund zwei Wochen erneut die Berliner Bühne betrat. Immerhin sei er ja noch bis Mai Parteivorsitzender der Linkspartei, ließ der alternde Polit-Star die versammelte Medienschar wissen. Das, was der 66jährige im Gepäck hatte, ist dazu geeignet, die Linkspartei vor eine Zerreißprobe zu stellen. Denn das neue Parteiprogramm, für das sich die Sozialisten drei Jahre Zeit gelassen haben, stellt so etwas dar wie das politische Vermächtnis des immer extremer agierenden ehemaligen SPD-Vorsitzenden. Da ist von Enteignungen die Rede, von nachhaltigen Umverteilungen, sogar davon, daß man durch letztere die Mordrate senken könne. Dies alles könnte man noch unter der Rubrik Folklore abtun, wären da nicht Bemerkungen, die die Politikfähigkeit der Partei in ihrer Gesamtheit in Frage stellen. Unter anderem soll eine Regierungsbeteiligung dann unmöglich sein, wenn eine Koalition ,,Privatisierungen beschließt oder Kriege führt. Sollte das Programm in der vorliegenden Form beschlossen werden, dann bliebe der Partei nur noch der sofortige Ausstieg aus dem Berliner Senat und eine Absage an rot-rot-grüne Konstellationen im Westen. Mit der Forderung nach Enteignungen von Banken und der Verstaatlichung der Telekommunikations-Firmen hat Programmschreiber Lafontaine den Bogen offenkundig überspannt. Da steht soviel Quatsch drin. Das ist Lafontaines Handschrift. Lothar Bisky ist viel zu schlau für einen solchen Unsinn, höhnte der frühere Berliner Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD). Der Co-Vorsitzende Bisky hat sich in der Diskussion auffallend zurückgehalten. Offenkundig scheut er einerseits den Bruch mit Lafontaine, muß aber andererseits den Befindlichkeiten der mitteldeutschen Landesverbände Rechnung tragen. Die nun startende Programmdiskussion solle helfen, den Identitätsstiftenden Kern für die Linke zu finden, sagt Bisky. Andere führende Funktionäre positionieren sich deutlicher: Ich sehe ziemlichen Handlungs- und Korrekturbedarf, sagte Dietmar Bartsch, der bisherige Bundesgeschäftsführer und Intimfeind Lafontaines. Doch dessen Einfluß ist nach wie vor groß. In der Programmkommission finden sich nur Gefolgsleute des Saarländers kein Wunder, daß der umstrittene Entwurf ohne Gegenstimme beschlossen wurde. Die Linke steckt in einem Dilemma. So wissen auch Lafontaines Rivalen, daß ohne seinen Einsatz der Durchbruch im Westen niemals möglich gewesen wäre. Allerdings, so mäkeln Kritiker, verhindere Lafontaines radikaler Kurs eine Regierungsbeteiligung und damit die Teilhabe an der Macht. Rigiden Sparkurs mitgetragen Wir stellen Bürgermeister. Wir regieren auf kommunale Ebene oft mit. Wir müssen Verantwortung tragen, sagt beispielsweise der thüringische Landesvorsitzende Kurt Korschewski. Der populäre Fraktionsvorsitzende im Erfurter Landtag, Bodo Ramelow, ließ ausrichten, daß er privates Eigentum keineswegs als Teufelszeug ansehe, was als deutlicher Widerspruch in Richtung Lafontaine gewertet werden darf. Der Landesvorsitzende von Mecklenburg-Vorpommern, Steffen Bockhahn, kritisierte die absolute Ausrichtung des Programms. Nach seiner Einschätzung wäre es besser gewesen, nicht zu viele unumstößliche Hürden zu formulieren. Gerade die mitteldeutschen Spitzenfunktionäre verweisen darauf, daß die Partei in ihren Koalitionen in Berlin und Brandenburg einem rigiden Sparkurs inklusive drastischem Personalabbau im Öffentlichen Dienst zugestimmt habe. Lafontaine, so wird kolportiert, wolle diese Bündnisse mittels des neuen Programmentwurfs verhindern. Die endgültige Abstimmung steht ohnehin erst für den Herbst kommenden Jahrs auf dem Programm. Bis dahin, so hoffen die Realpolitiker, könne sich Oskar tatsächlich aufs Altenteil zurückgezogen haben. |