© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/10 09. April 2010

Fraktur reden
Lautstürmer
Clemens Taeschner

Wer wagt es, „in einem weitgehend ironiefreien Deutschland“ – so das Fazit des in Wien geborenen Musikers Betty Blitzkrieg (alias David Sobol) – noch Fraktur zu reden? Dessen neues Party-Album „Voodookind“ etwa? Anders gesagt: Was für den politischen Bereich obsolet ist, gilt nicht in typographischer Hinsicht. Denn das gefährdete Schriftgut der Fraktur, in Deutschland eingeführt um das Jahr 1500, wird seit einigen Jahren wiederentdeckt. Kaum jemand weiß indessen, daß die vermeintliche NS-Nähe dieser Type ein bloßer Mythos ist. Tatsächlich hatte im Januar 1941 der „Alien aus Braunau“ (Michael Klonovsky) via Rundschreiben verfügt, die „Schwabacher Judenlettern“ durch die „Normal-Schrift“ Antiqua zu ersetzen. Neben dem Buchdruck, wo der Fraktur-Schriftzug allmählich wieder Verwendung findet, zieht er zunehmend in die Metal- und Hardcore-Szene ein. So nimmt es nicht wunder, daß jüngst die schwedische Formation Lautstürmer – nicht zu verwechseln mit Landsturm – die Fraktur für sich entdeckt hat. Die Band kommt aus dem Bereich des crust-core, eines Musikstils, der seine Anhänger vor allem in der linksradikalen Jugendkultur findet: etwa am 30. April im „Köpi“ von Berlin-Kreuzberg, wo die Lautstürmer ihr Debütalbum „Depopulator“ vorstellen.

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