© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/10 09. April 2010

Zeitschrift „Zuerst“: Eine neue Stimme am Kiosk
Homestories von rechts
Felix Krauträmer

Irgend etwas scheint die neue Zeitschrift Zuerst richtig gemacht zu haben. Anders ist es kaum zu erklären, daß linke Medien und Antifablätter sich veranlaßt sehen, massiv vor dem „deutschen Nachrichtenmagazin“ aus Selent bei Kiel zu warnen, das sich seit Anfang des Jahres mit einer Startauflage von offiziell 86.000 Exemplaren als „unabhängige Stimme“ der „Entartung unseres politischen Systems und der Entmündigung des Volkes“ (Chefredakteur Günther Deschner) entgegenstellen will.

Ob die linksalternative taz, die Szenezeitschrift Der Rechte Rand oder das ehemalige FDJ-Organ Junge Welt – alle wollen den Leser davon überzeugen, daß sich hinter der „bürgerlichen“ Maske von Zuerst etwas ganz anderes, etwas Schlimmes und Bedrohliches verbirgt. Und in der Tat, die Themen, die das Magazin jeden Monat auf rund 80 Seiten aufgreift, sind alles andere als politisch opportun: linke Gewalt, Inländer-Diskriminierung, Gender Mainstreaming oder Zigeuner-Kriminalität, um nur einige zu nennen.

Den Geschichten einen eigenen Dreh geben

Daneben finden sich in Zuerst auch „weiche“ Themen. Hierzu zählen beispielsweise die „Homestories“, bei denen Autor Manuel Ochsenreiter mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten zu Hause besucht, darunter den FPÖ-Europaabgeordneten Andreas Mölzer und den in die Jahre gekommenen 68er-Kommunarden Rainer Langhans.

Ochsenreiter, seit 2004 Chefredakteur der Deutschen Militärzeitschrift, gehört zu den prägenden „Federn“ von Zuerst. Ob der Artikel über die Zusammenarbeit zwischen dem ZDF und der linken Amadeu-Antonio-Stiftung bei einer Folge der Krimi-Serie „Stubbe von Fall zu Fall“ oder das Porträt über den CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe – der 34jährige wartet mit Details auf, die sich so anderswo kaum finden und der Geschichte somit ihren eigenen Dreh geben. Ochsenreiter dürfte das Blatt auch Interviewpartner wie den iranischen Botschafter, Ali Reza Sheikh Attar, oder Kenan Kolat, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland, zu verdanken haben.

Dieses Niveau vermag die Zeitschrift jedoch nicht über die gesamte Ausgabe zu halten: Die wohl wichtigste Leistung eines Nachrichtenmagazins, die Eigenrecherche, kommt bei Zuerst oftmals zu kurz. So sind die Titelgeschichten zwar gut geschrieben und ansprechend bebildert, wirklich Neues findet sich darin nicht. Sei es beim Thema über die Verantwortlichen der Wirtschaftskrise in Deutschland oder dem Großporträt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Die Artikel bestehen zu einem nicht geringen Anteil aus Zitaten, Fakten und Passagen, die so anderswo schon einmal veröffentlicht wurden.

Zudem mangelt es an Grafiken und Schaubildern, die den Inhalt des Textes optisch zusammenfassen. Auch wirkt die Gliederung des Heftes vor allem im zweiten Teil nicht wirklich durchkonzipiert. Anders sind die von Ausgabe zu Ausgabe wechselnden Rubriken wie „Umwelt“, Technik“, „Reise“ und „Wissenschaft“ kaum zu deuten.

Etwas sonderbar mutet es zudem an, wenn ein Beitrag über den Turnvater Friedrich Ludwig Jahn mit einem Gymnastikfoto aus dem Dritten Reich bebildert ist, um so die damals „Körper und Geist erfassende Erziehung“ zu würdigen. Oder wenn in einem Artikel über archäologische Funde in Österreich permanent von „vor der Zeitenwende“ die Rede ist.

Solche Eigenarten dürften vor allem auf den Verleger von Zuerst, Dietmar Munier, zurückzuführen sein. Der 56jährige, der aus seiner germanisch-heidnischen Überzeugung keinen Hehl macht, hat sich auf den Vertrieb von diversen Devotionalien und Militaria sowie Bildbänden und Publikationen über das Dritte Reich, den Zweiten Weltkrieg und den Deutschen Osten spezialisiert. Ein weiterer Grund liegt vermutlich darin, daß Munier darauf achten muß, die vom Monatsmagazin Nation & Europa (N&E) übernommenen Abonnenten nicht zu vergraulen. Das älteste rechte Monatsmagazin war Ende vergangenen Jahres in Zuerst aufgegangen (JF 42/09). Übriggeblieben ist eine Kolumne des früheren N&E-Mitherausgebers Harald Neubauer.

Sorge um die alten Abonnenten von „Nation & Europa“

Wirklich gelungen ist allerdings die mehrteilige Zuerst-Folge über die ARD-Serie „Tatort“: Darin gehen die Autoren unter anderem den Fragen nach, warum es in den Fernsehkrimis so gut wie keine ausländischen Täter gibt oder warum so gut wie keiner der Ermittler ein traditionelles Familienbild lebt. Interviews mit dem „Tatort“-Autor Felix Huby oder dem Schauspieler Peter Sodann runden das Ganze ab.

Ob es den Machern von Zuerst gelingen wird, das Magazin zu etablieren, oder ob die Zeitschrift – wie schon viele zuvor – wieder in der Versenkung verschwindet, läßt sich nach vier erschienenen Ausgaben nur schwer sagen. Vieles wird davon abhängen, ob Verleger Munier über einen genügend langen Atem verfügt und ob die Redaktion Themen setzen kann, die auch außerhalb der eigenen Klientel wahrgenommen werden. 

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