© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/10 16. April 2010

WIRTSCHAFT
Ignorierter Ärztemangel
Jens Jessen

Seit Jahren weisen Kammern und Kassenärztliche Vereinigungen auf einen sich verschärfenden Ärztemangel hin. Krankenkassen und Politik nahmen Warnungen der Ärztetage nicht ernst. Sie haben versagt. Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) hat – im Gegensatz zu seinen Vorgängern – den Ärztemangel als Problem erkannt und vor dem 113. Deutschen Ärztetag in Dresden als Thema aufgegriffen. Der Mehrbedarf hat eine Reihe von Gründen: Die Medizin spezialisiert sich, Deutschland vergreist, die neuen Arbeits- und Bereitschaftsregelungen erfordern zusätzliche Stellen an den Krankenhäusern. All das hat sich bisher nicht in zusätzlichen Studienplätzen niedergeschlagen. Sie sind die eigentliche Stellschraube für eine Anpassung an den Ärztebedarf.

Die Kultusministerkonferenz sollte diesbezüglich endlich tätig werden. Die Aufweichung des Numerus clausus könnte das Instrument einer Ärzte-Generierung sein. Bei der Zulassung zum Medizinstudium sollten Sozialkompetenz und Motivation der Bewerber für den Arztberuf endlich eine Rolle spielen. Die neue Ärztegeneration wird dann dem Trend folgen, von der Stadt aufs Land zu ziehen, wenn die Arbeitsbedingungen auf dem Land verbessert werden. In den siebziger Jahren wurden dafür von den Kommunen Infrastrukturhilfen geleistet, da eine Kommune ohne Gesundheitsversorgung Einwohner und Attraktivität verliert. Die von Rösler vorgeschlagene Landarztquote ist allerdings zum Scheitern verurteilt. Zum einen handelt es sich um einen Eingriff in die Autonomie der Universitäten, zum anderen kann ein Arzt als Angehöriger eines freien Berufs ohne Entscheidungsfreiheit nicht existieren. Möglich wäre das nur mit angestellten Ärzten, die wie Lehrer abgeordnet werden können.

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