© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/10 23. April 2010

Freiheitsträume in Schottland
Unterhauswahl macht Hoffnung
Volker König

Alex Salmond ist First Minister der Regionalregierung in Edinburgh. Er läßt sich gerne von einem Dudelsackspieler in traditioneller Tracht ins Parlament geleiten – so auch, als er ankündigte, noch in diesem Jahr ein Referendum über die Unabhängigkeit Schottlands abhalten zu lassen. Ursprünglich sollte dies schon Anfang des Jahres geschehen, aber aus taktischen Gründen wartet seine Schottische Nationalpartei (SNP) nun den Ausgang der britischen Unter­hauswahlen am 6. Mai ab.

Den bislang letzten ernsthaften Versuch, Schottlands Unabhängigkeit wiederherzustellen, unternahm 1745 der jakobitische Thronprätendent Prinz Charles Edward Stuart. Aus dem französischen Exil heimgekehrt, vertrieb seine Highlander-Armee die Engländer aus seiner Heimat. Ein halbes Jahr residierte er in Holyrood Palace in Edinburgh, mit der Schlacht von Culloden 1746 endete sein Interregnum. Er selbst entkam nur, weil ihn seine treue Anhängerin Flora MacDonald auf die Insel Skye ruderte. Sie ist seitdem die Jeanne d’Arc der schottischen Nationalisten, und trutzig blickt ihr Denkmal noch immer in Inverness Richtung Highlands.

Dem Traum der Unabhängigkeit ist die SNP 2007 nahegerückt, als sie mit 32,9 Prozent stärkste Partei bei der Regionalwahl wurde und mit den Grünen eine Minderheitsregierung bildete (JF 37/07). Der damals avisierten Volksbefragung über die Separation erteilten Tories, Labour und Liberaldemokraten (Lib Dems) aber eine schroffe Absage. Im Unterhauswahlkampf setzt die SNP auf ihre Forderung nach einem unabhängigen Nationalstaat, der mit Großbritannien allenfalls noch durch die Krone als Staatsoberhaupt im Rahmen des Commonwealth verbunden ist. Schottland soll auch auf Atomkraft und Nato-Mitgliedschaft verzichten und selbständiges EU-Mitglied werden.

Mit diesen Forderungen schafft sich die SNP bei britischen Parteien wenig Freunde – aber sie könnte gebraucht werden. Bei 650 nach einfachem Mehrheitswahlrecht vergebenen Unter­haussitzen braucht eine Regierung mindestens 326 Mandate. Doch laut Umfragen können weder die regierende Labour Party noch die Tories mit einer sicheren Mehrheit rechnen. So kommt den Lib Dems und den Regionalparteien die Rolle des Züngleins an der Waage zu. Daß die SNP Koalitionspartner der Tories wird, ist unwahrscheinlich, denn die Konservativen gelten als besonders loyale Parteigänger der Union mit England. Ein Wahlbündnis mit Labour ist ebenfalls schwierig, weil beide Parteien stärkste Kraft in Schottland werden wollen und Premierminister Gordon Brown (selbst ein Schotte) allen separatistischen Tendenzen stets eine Abfuhr erteilte.

So hofft die SNP-Führung auf einen knappen Tory-Sieg, bei dem diese nicht auf die Lib Dems angewiesen sind, sondern eventuell mit den erhofften 20 SNP-Sitzen eine Mehrheit erreichen. Der Preis für eine Tolerierung wären dann, so Salmonds Kalkül, Zugeständnisse etwa beim Unabhängigkeitsreferendum. Minimalpreis wäre die Gewährung weitreichender Autonomie für Schottland. Das Stichwort hierfür lautet Devolution. Diese wurde in Italien bereits erfolgreich praktiziert, wo Silvio Berlusconi die rechts-regionalistische Lega Nord in sein Regierungsbündnis holte. Im Gegenzug verzichtete der zum Föderalismus-Minister avancierte Lega-Chef Umberto Bossi vorerst auf sein Ziel eines freien Padanien (Nord­italien). Vielleicht wird Alex Salmond nach dem 6. Mai eine ähnliche Offerte unterbreitet.

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