© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/10 23. April 2010

Zeitschriftenkritik: Rabenflug
Auf der Suche nach Preußen
Werner Olles

Die aktuelle Ausgabe der halbjährlich erscheinenden Kulturzeitschrift Rabenflug – Untertitel: Literatur – Kunst – Geschichte – (36/2010) wartet wieder mit kulturgeschichtlichen Essays, Lyrik, Kurzprosa und Buchrezensionen auf, die Gegenwartsdichtung und frühere Literatur zueinander in Bezug setzen. Passend hierzu fragt Herausgeberin Evelyne von Bonin in ihrem Editorial, ob es nicht Zeit werde, „daß die deutsche kulturgeschichtliche Vergangenheit im Innern wieder den Platz einnimmt, der im Äußern vielfach bewundert wird?“ Doch bis dahin sollte man sich angesichts der geistigen Verflachung und der von der „politisch-medialen Nomenklatura als Ablenkung von den bedrängenden Problemen inszenierten „kampagnefähigen Skandale“ aufs Ohr legen, die Augen zuklappen, Gedankenfreiheit pflegen und auf andere Zeiten hoffen.

In seinem Beitrag „Den Geist von Preußen mit der Seele suchend“ beschreibt der deutschstämmige Pole Arkadiusz Luba seine Enttäuschung, als er bei einem Besuch Berlins und Brandenburgs vergeblich nach preußischen Spuren sucht. Aus dem ehemaligen Ostpreußen stammend, traf er „Leute, die sich an keine preußischen Ideale hielten, betrat Gebäude, denen der kulturelle und intellektuelle Geist Preußens fehlte“. Daheim in einer preußischen Kultur aufgewachsen und mit den Werten Ehre, Disziplin, Gemeinsinn und Loyalität konfrontiert, sehnte er sich nach dem, wovon er in seiner Kindheit gehört hat. Doch statt der erwarteten Traditionen, Mentalitäten und Werten erlebte er bereits am Berliner Hauptbahnhof den ersten Schock. Bei den Mitreisenden vermißt er „gewisse Manieren und die typisch preußische Anständigkeit und Höflichkeit“. Befremdlich wirkte auch die „durch technische Zeichen geprägte Landschaft“. Alles erschien ihm oberflächlich, und die Enttäuschung wuchs, daß das Kommerzielle im Vordergrund steht.

Jochen Schaare schreibt über Arthur Schopenhauers Kunst des Lebens zwischen Lebensweisheit und Bildungsstreben: „Autarkie und Selbstgenügsamkeit“. Der „große Daseinsverneiner“ und „Künder der Eitelkeit alles Irdischen“ (Hermann von Braunbehrens) verstand zwar diese Welt als „eine Art Hölle“ und lehrte, „daß alles Glück wesentlich negativer Natur sei und Schmerz allein das Positive im menschlichen Leben“. Dennoch versuchte er, den Menschen seine Lehre zu vermitteln, „wie man in dieser an sich schlechten Welt leidlich angenehm leben kann, also mit möglichst wenig Schmerzen und Enttäuschungen davonkommen möge“. Es gelang Schopenhauer, diese Lebensphilosophie nicht nur als theoretisches Wissen, sondern als geistige Übung und Lebensform zu etablieren. Im Gegensatz dazu stand er dem Fortschrittsglauben skeptisch gegenüber, hielt die Gleichberechtigung der Menschen für illusorisch und lehnte Revolution und Sozialismus aus tiefstem Herzen ab.

Anschrift: Evelyne v. Bonin. Herminenstr. 7, 65191 Wiesbaden. Das Einzelheft kostet 3,20 Euro, das Jahresabonnement 6 Euro

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