© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/10 30. April 2010

Kolumne
Nie mehr müssen müssen
Thor Kunkel

Wir wollen nicht länger Machos sein müssen, wir wollen Menschen sein! Wir sind keine Dinosaurier mehr.“ Was sich nach einer bemühten Presseerklärung von Fußball-Hooligans anhört oder zumindest als Bekennerschreiben einer reumütigen Rockerbande durchginge, entstammt dem „Grünen Männer-Manifest“, das momentan in vielen gesellschaftspolitischen Foren hämisch zerpflückt wird. Die Unterzeichner – die sich Feministen nennen – fordern darin die Abkehr vom „Korsett alter Geschlechterrollen“ und spezielle „Boy’s Days“, um Jüngeren die seelische Selbstverleugnung schmackhaft zu machen: „Macht abgeben, Männer, es lohnt sich!“ Schließlich wird denen auch nichts anderes übrigbleiben, denn sie haben im Gender-Poker der Regierung die Arschkarte gezogen. NRW-Landesvorstand Sven Lehmann als Initiator des Manifests sieht das natürlich ganz anders, doch hat der Mensch eigentlich noch alle Latten am Zaum? Wo gab es in seiner Partei jemals Machos, einmal abgesehen von Joschka Fischer, der es mit seiner buchstäblichen Schlagfertigkeit immerhin zum Staatsmann gebracht hat? Natürlich, die politische Elite Europas setzt sich ausschließlich aus Machos zusammen, man denke nur an Berlusconi oder Sarkozy, die mit Frauengeschichten und Imponiergehabe stets wieder bei ihren Stammwählern punkten. – Der Inbegriff des Machismo? Für mich der gute Bernie Ecclestone, der gerade mit einer um fast 50 Jahre jüngeren Frau ein neues Leben beginnt!  Die Liste erfolgreicher Alpha-Männchen läßt sich beliebig fortsetzen. Warum also Abstand nehmen vom Rambo-Habitus, warum sich selbst enteiern, wenn es der Macho in der Welt weiter bringt als der nette Warmduscher von nebenan?

Das genderpolitisch korrekte Pamphlet ist gut gemeint, doch richtet es sich an die Falschen: Der echte Grüne war immer schon Hausmann, Tierfreund und Frauenversteher – ne, danke, liebe Svenja Lehmann, noch weicher geht nicht! Richten Sie Ihren Appell doch einfach mal an die jugendlichen Kulturbereicherer von Osman United; die bauen nämlich nach wie vor auf ihre natürliche „Zwangsprogrammierung“ (Mann-Sein) und leben sich fast so ungehemmt aus wie die Haßkappen, die ihren verqueren Machismo am 1. Mai wieder durch Konfrontation mit der „Bullerei“ zelebrieren.

Das Grüne-Männer-Manifest ist leider nur ein Placebo – so wie die Prostagutt-Werbung, in der Männer nur deshalb „weniger müssen müssen“, weil sie einfach durchpennen sollen.

 

Thor Kunkel ist Schriftsteller und unter anderem Autor der Romane „Endstufe“ und „Schaumschwester“.

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