© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/10 30. April 2010

Aufgeschnappt
Ewiggestriger Straßenname
Matthias Bäkermann

Auf halbem Weg zwischen Bitterfeld und Dessau im Landkreis Wittenberg liegt Zschornewitz, am „Tor zur Dübelner Heide“. Nur 250 Einwohner zählte das Dorf, bevor es nach 1915 durch ein Großkraftwerk und den Braunkohleabbau auf heute 2.800 Einwohner anwuchs. In der Selbstdarstellung im Internet findet sich ansonsten wenig über die weitere historische Entwicklung – die DDR-Zeit wird noch nicht einmal erwähnt. Dabei prägt jene Epoche auch 20 Jahre nach dem Mauerfall diese anhaltinische Gemeinde mit den heute meist betagteren Zschornewitzern.

Will man den Bürgermeister Herrn Günter Gröbner (Die Linke) sprechen, erreicht man ihn im Bürgerbüro in der Straße der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft 1a, die man im Schriftverkehr allerdings doch lieber als „Straße der DSF“ bezeichnet. Wahrscheinlich stören sich auch seine Ratskollegen von der SED-Nachfolgepartei, die mit zehn Ratssitzen fast eine Zweidrittelmehrheit behaupten, nicht daran, daß diese Adresse aus der Kreisstadt kommend nur über die Leninstraße (man hat Vorfahrt) und alternativ über die Ernst-Thälmann-Straße oder die Karl-Marx-Straße zu erreichen ist, wenn man sich im östlichen Ortsteil nicht plötzlich im Straßengeflecht von Rosa-Luxemberg-, Clara-Zetkin-, Friedrich-Engels- oder Karl-Liebknecht-Straße verfahren sollte.

Störend an dieser Straßenbenennung aus seliger DDR-Zeit dürfte aus heutiger Sicht einzig die am äußersten Ortsrand liegende Theodor-Körner-Straße sein. Vielleicht gelingt es aber, womöglich mit Hilfe des „Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus Sachsen-Anhalt“, diesem reaktionären Spuk bald ein Ende zu bereiten.

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