© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/10 30. April 2010

Durchhalteparolen aus dem Kanzleramt
Bundeswehr: Trotz der wachsenden Zahl an gefallenen deutschen Soldaten hält die Bundesregierung unbeirrt an dem Einsatz in Afghanistan fest
Paul Rosen

Zwei Dinge im Zusammenhang mit dem deutschen Afghanistan-Einsatz sind ziemlich sicher: Die beiden Trauerfeiern seit Ostern werden nicht die letzten gewesen sein. Ebenso sicher wird man erst Kanzlerin Angela Merkel und dann Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg nicht mehr auf diesen Trauerfeierlichkeiten sehen. Der Tod deutscher Soldaten in Afghanistan wird ein einsamer Tod sein.

Die Regierung in Berlin übt derweil die Rolle, eine Politik gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung durchzuhalten. Merkel strickte in einer Regierungserklärung im Bundestag zu Afghanistan weiter an der Legende, der Einsatz diene dem Kampf gegen den internationalen Terrorismus: „Es wäre ein Trugschluß zu glauben, Deutschland wäre nicht im Visier des internationalen Terrorismus.” Bei einem kurzfristigen Abzug würde Afghanistan in Anarchie und Chaos versinken, sagte die Regierungschefin.

Spötter weisen indes darauf hin, daß Afghanistan längst in Chaos und Anarchie versunken ist. Wie soll man die Situation in einem Land beschreiben, das keine Regierung mit Autorität hat, dessen Wirtschaft und Währung zusammengebrochen ist und in dem es keine Sicherheit und Ordnung gibt? Und wer die erste Bemerkung Merkels vom internationalen Terrorismus ernst nehmen würde, müßte automatisch zu der Frage kommen, warum die Bundeswehr nicht nach Hamburg geschickt worden ist.

Denn dort saßen oder sitzen vielleicht noch die Islamisten, die die Anschläge 2001 in New York und Washington geplant haben. In Afghanistan jedenfalls wurde kein Anschlag vorbereitet. Und die Islamisten, die dort in Camps der al-Qaida ausgebildet wurden, lernten allenfalls den Wüstenkampf, aber nicht, Bomben in U-Bahnen zu zünden oder Flugzeuge zu entführen und zu fliegen.

Merkel nannte im Bundestag kein Datum für den Abzug der deutschen Truppen. Sehr allgemein hieß es nur von ihr: „Die internationale Gemeinschaft ist hineingegangen, die internationale Gemeinschaft wird auch gemeinsam hinausgehen. Handelte sie anders, dann wären die Folgen weit verheerender als die Folgen der Anschläge vom 11. September 2001.“ Ein Abzugsdatum war von ihr auch nicht erwartet worden, wohl aber Ansagen zur Verbesserung der Ausrüstung und zum Verteidigungsetat. Doch dazu kam nichts.

Wie schlecht es um die Ausrüstung steht, ließ Guttenberg beim Besuch des Kommandeurs der internationalen Afghanistan-Truppen, des amerikanischen Generals Stanley McChrystal, in Berlin, durchblicken. Guttenberg räumte ein, daß in Nordafghanistan, wo Deutschland die Verantwortung trägt, Verletzte nur mit Hilfe von amerikanischen Hubschraubern geborgen werden könnten. Auch daß die Amerikaner die Bundeswehr mit Kampfhubschrauber unterstützen müßten, weil die keine eigenen hat, bestätigte Guttenberg, der zugleich 14 amerikanischen Soldaten das Ehrenkreuz der Bundeswehr dafür überreichte, daß sie deutsche Kameraden rausgehauen hatten.

In der Heimat mußte Guttenberg an einer anderen Front kämpfen. Im Verteidigungsausschuß des Bundestages, der das Bombardement im afghanischen Kundus durch von der Bundeswehr angeforderte Bomber untersuchen soll, parlierte er mit Sätzen wie diesem: „So unmittelbar war die Bedrohungslage nicht, um bewußt oder gezielt zivile Opfer in Kauf zu nehmen.“

Kritik perlt an Guttenberg ab

Auch die Kritik an der Entlassung von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan und Staatssekretär Peter Wichert perlte an Guttenberg ab: Er lasse sich nicht vorschreiben, wann sein Vertrauen in seine Berater erschöpft sein dürfe. Bei Generalinspekteur und Staatssekretär pflichten Kritiker Guttenberg bei: Beide hätten schon von seinem Vorgänger Franz Josef Jung gefeuert werden müssen.

Beim Bombardement von Kundus, bei dem auch Zivilisten ums Leben kamen, klärt sich die innenpolitische Lage. Die Bundesanwaltschaft stellte das Verfahren gegen Oberst Klein ein, der den Befehl zum Bombardement gab. Der Oberst und ein weiterer Offizier hätten nicht davon ausgehen können, daß Zivilisten am Ort des Geschehens seien. „Vielmehr konnten sie nach gewissenhafter und immer wieder aktualisierter Prüfung aller ihnen zum Geschehensablauf bekannten Fakten und Umstände annehmen, daß ausschließlich Aufständische vor Ort waren“, so die Ermittler. Zwar blieben die Bundesanwälte die Aussage schuldig, wie in Afghanistan „Aufständische” von Einheimischen oder Zivilisten unterschieden werden sollen, aber die Einstellung des Verfahrens gegen Klein hat etwas Tröstliches: Immerhin widerlegt er die Volksweisheit, nach der nur die Kleinen gehängt werden.

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