© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/10 30. April 2010

Asche auf das Haupt von Eurocontrol
Vulkanausbruch: Die von der europäischen Flugsicherheitsbehörde veranlaßte Luftraumsperrung wirft viele Fragen auf
Werner Brenner

Alle redeten vorige Woche von der Vulkanaschewolke, aber wer hatte sie gesehen? Nur über dem isländischen Gletscher, dem Eyjafjallajökull, war sie als dunkle und langsam aufsteigende Wolke zu erkennen. Sie konnte von jedem Piloten nach Sichtflugregeln um- oder überflogen werden – genau wie am Ätna, der häufiger ausbricht und wo dieselben Regeln gelten, ohne daß es je zu so großräumigeren Eingriffen in den Luftverkehr gekommen wäre.

Diese Eyjafjallajökull-Wolke stieg bis an die Grenze der Stratosphäre bei etwa elf Kilometer Höhe. Sie wurde dabei von relativ starkem Nordwest-Wind in südöstlicher Richtung abgetrieben, wobei mit steigender Entfernung eine immer größere Durchwirbelung mit Umgebungsluft bei abnehmender Aschekonzentration erfolgte. Irgendwann war die Konzentration so gering, daß die Wolke sich nicht mehr klar genug abzeichnete. Wo das der Fall war, wurde nicht mitgeteilt. Nach etwa 30 Stunden erreichte die Wolke Schottland. Während dieser Zeit dürfte die Durchwirbelung zu immer geringerer Teilchenkonzentration geführt haben. Dem Gesetz der Schwerkraft folgend, bewegen die Ascheteilchen sich nach unten und landen schließlich auf dem Meer. Je schwerer und damit für Flugzeugturbinen gefährlicher diese Teile sind, desto schneller werden sie zu Boden gesunken sein.

Flugzeuge vermeiden klar erkennbare Gewitterbildungen, Hurrikans, Sandstürme und sichtbare Aschewolken – es gilt das Prinzip „see and avoid“. Die entscheidende Frage ist, wann die Aschkonzentration so gering ist, daß sie für Flugzeugtriebwerke, die die Luft ungefiltert ansaugen, nicht mehr so gefährlich sind, daß es zum Triebwerkstillstand kommen kann. Geringe Partikelkonzentrationen werden problemlos vorne angesaugt und hinten ausgestoßen, wobei es aber längerfristig zu Erosionserscheinungen an den Turbinenteilen kommen kann. Turbinenflugzeuge fliegen routinemäßig durch größere Ansammlungen von Industriestaub in Ballungsgebieten, die als getrübte Atmosphäre durchaus sichtbar sind, wie heute noch in manchen Teilen Asiens. Das ist völlig ungefährlich.

Was hat nun die europäische Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol bewogen, so großräumig den Luftraum zu sperren? Grundlage seien Computer-Simulationsmodelle gewesen. Doch die unterliegen dem Grundsatz „garbage in – garbage out“: Ihre Ergebnisse können nur so gut sein wie die Eingaben. Es ist bisher nicht bekannt, daß es gelungen ist, die genannten Einflußfaktoren mit hinreichender Genauigkeit in mathematische Formeln zu gießen.

Hätte eine Gefahrenmeldung nicht völlig ausgereicht?

Wie verändert sich beispielsweise eine gegebene Aschekonzentration mit Partikeln unterschiedlicher Gewichte bei einem nach Richtung und Stärke gegebenen Höhenwind nach einer bestimmten Distanz? Eurocontrol wäre gut beraten, dies der interessierten Öffentlichkeit darzulegen, um einem erheblichen Vertrauensverlust vorzubeugen.

Die Hersteller von Flugzeugturbinen haben bisher keine Empfehlungen herausgegeben, bis zu welcher Partikelkonzentration ein gefahrloser Betrieb der Triebwerke möglich ist. Das würde ja voraussetzen, daß diese Konzentration an jedem Ort jederzeit gemessen und exakt prognostiziert werden kann. Ein temporärer Turbinenstillstand ist bisher nur überliefert, als Flugzeuge unbeabsichtigt in hochkonzentrierte Aschewolken eingeflogen sind, was in der aktuellen Situation aber gar nicht zu befürchten war.

Was war wirklich der Anlaß für diese außerordentliche Luftraumsperrung? Hätte es nicht ausgereicht, wenn Eurocontrol eine allgemeine Gefahrenmeldung herausgegeben hätte mit Hinweisen, wo sichtbare Aschekonzentrationen festgestellt wurden? Es wäre Angelegenheit der Luftfahrtgesellschaften und Triebwerksingenieure gewesen, ob gegebenenfalls ein erhöhter Verschleiß hingenommen werden sollte oder nicht. Aus übertriebener Vorsicht maßte sich Eurocontrol nicht gebotene Kompetenzen an, die zu Millionenschäden bei den Luftraumnutzern geführt haben.

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