© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/10 30. April 2010

Verfremdet und übertrieben
Blasphemie: Magazin „Titanic“ geht straffrei aus
(idea/JF)

Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wird kein Strafverfahren gegen das Satiremagazin Titanic einleiten. Gegen das April-Titelblatt waren 18 Strafanzeigen eingegangen. Es zeigt einen Priester, der vor dem am Kreuz hängenden Jesus kniet. Kritiker deuten die Szene so, daß der Geistliche den Gekreuzigten mit dem Mund sexuell befriedigt.

Unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit sei weder der Tatbestand der Beschimpfung noch der Volksverhetzung erfüllt, teilte die Pressesprecherin der Staatsanwaltschaft, Doris Möller-Scheu, vorigen Freitag auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea mit. Satire lebe von der Übertreibung und Verfremdung. Der Titel „Kirche heute“ weise auf die Kritik an der Kirche angesichts des Mißbrauchsskandals hin. Die Darstellung gefährde auch nicht den öffentlichen Frieden. Da nicht ein bestimmter Personenkreis, sondern die Kirche als Institution im Mittelpunkt stehe, sei der Tatbestand der Volksverhetzung nicht gegeben.

Über dreißig Ausgaben wurden schon verboten

Dem Deutschen Presserat liegen über 150 Beschwerden vor. Er wird sich auf seiner nächsten Sitzung Ende Mai mit der umstrittenen Darstellung auseinandersetzen. Während sich die Kirchen mit einer Bewertung des Titelbildes zurückhielten, übten Unionspolitiker scharfe Kritik. So sagte der Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU, der Parlamentarische Staatssekretär Thomas Rachel, gegenüber idea: „Es handelt sich hierbei um eine durchsichtige Provokation zur Steigerung der Auflage, die völlig geschmacklos ist.“ Der Sprecher des Arbeitskreises Engagierter Katholiken in der CDU, Martin Lohmann, bezeichnete das Titelbild als „eine üble Beleidigung christlich-religiöser Empfindungen und eine primitive Mißachtung von Anstand, Toleranz und Respekt“. Die Darstellung sei schamlos und verletzend.

Das 1979 gegründete Satiremagazin Titanic hat eine Druckauflage von etwa 100.000 Exemplaren. Zu den Gesellschaftern gehört der Komiker Otto Waalkes. Das Blatt ist für provozierende Veröffentlichungen und Tabubrüche bekannt; bisher wurden über 30 Ausgaben verboten. Erst im März dieses Jahres hatte Titanic-Online vom Presserat eine öffentliche Rüge wegen eines Verstoßes gegen die Menschenwürde (Ziffer 1 des Pressekodex) erhalten. Die Zeitschrift hatte im Internet mehrere Cartoons zum Tod des Fußballtorwarts Robert Enke veröffentlicht, nachdem der 32jährige, der jahrelang an Depressionen litt,  sich im November das Leben genommen hatte.

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