© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 18/10 30. April 2010
Die Hand Gottes: Emir Kusturica trifft Diego Maradona Es soll Zeitgenossen geben, die halten das Rasenspiel zwischen 22 Jünglingen in kurzen Hosen keineswegs für die schönste Nebensache der Welt, sondern für den Urgrund alles Seins in der sinnentleerten Postmoderne. Der Titel von Emir Kusturicas filmischer Liebeserklärung, Die Hand Gottes, jedenfalls ist sowenig ironisch gemeint wie die zwischendurch eingeblendeten bizarren Götzendienste der Maradona-Kirche; ganz zu schweigen von der sechsminütigen Sequenz, in der selbiger aufgedunsen, kleinwüchsig und überlebensgroß sein Leben als eine Art gesungenes Nationalepos zelebrieren darf. Den Refrain grölt das Publikum andächtig mit: Maradó, Maradó, Maradó! Aufstieg und Fall des Ausnahmestürmers erscheinen plötzlich nicht mehr als gefundenes Fressen für die Klatschspalten der Boulevardblätter, sondern in den Dimensionen einer griechischen Tragödie. Als Rächer der Unterdrückten in einer Welt, in der die Gerechtigkeit nur im Fußball siegen konnte, als Poet der lateinamerikanischen Volksseele stellt der begnadete Regisseur den begnadeten Ballkünstler in eine Reihe mit Ikonen des Anti-Imperialismus Fidel Castro, Che Guevara, Hugo Chávez, Evo Morales oder Dichtern wie Borges und García Marquez. Nicht nur im Belgrader Stadion, Schauplatz längst vergangener Ruhmestaten, spielen der Argentinier und der Serbe einander die Bälle zu: Einig sind sie sich auch in ihrem Haß auf George W. Bush, der den 2005/2006 gemachten Film fast schon antiquiert wirken läßt. Ansonsten dreht Kusturica kräftig an der Stellschraube, die die Überhöhung der Legende zum Mythos reguliert, setzt die schönsten Tore des 91maligen Nationalspielers und heutigen Argentinien-Trainers wirkungsvoll zu den Sex Pistols in Szene und sinniert ein wenig über den seinem eigenen Metier innewohnenden Voyeurismus. Ein Film für alle, die schon immer gewußt haben wollen, daß Fußball alles ist, nur kein zweckfreier Zeitvertreib. |