© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/10 30. April 2010

Unter den Augen der Polizei
1. Mai: Im Zentrum Berlins haben linke Aktivisten öffentlichkeitswirksam die rechtswidrige Blockade einer NPD-Demonstration geprobt
Clemens Taeschner

Grundsätzlich gilt: Polizeiketten stellen kein unüberwindliches Hindernis dar.“ Die Aufforderung richtet sich an knapp 30 linke Aktivisten auf dem Bebelplatz in Berlin-Mitte. Diese wollen am 1. Mai einen „Neonazi-Aufmarsch“ in der Hauptstadt verhindern. Für die geplante Blockade einer NPD-Demonstration fand am vergangenen Sonnabend ein öffentliches Probesitzen statt.

Es ist ein Bild, das nicht nur Touristen die Köpfe schütteln läßt: Unter der Aufsicht der Polizei wird trainiert, wie das staatliche Gewaltmonopol am einfachsten zu brechen ist. Irgendwo finde sich immer eine Lücke, um zwischen den Polizisten durchzulaufen. Während der Blockade-„Ausbilder“ Henning Jansen von der Antifa-Gruppe „Avanti“ erklärt, welche Utensilien unbedingt erforderlich seien, um sich gegen polizeiliche Einsatzmittel wie Pfefferspray oder Wasserwerfer zu wappnen, steht der Kontaktmann der Polizei abseits.

Auf die Frage, warum die Polizei dieses Treiben auch noch beaufsichtige, statt es zu unterbinden wie etwa in Dresden, wo die Staatsanwaltschaft im Vorfeld einer angekündigten Blockade Ermittlungen einleitete, wird ein Schulterzucken sichtbar. Der Einsatzleiter gibt zu verstehen, daß sie beide als Privatleute genauso dächten, aber: „Mir sind die Hände gebunden.“ Denn die Menschen hier begingen ja keine Straftat. Darauf weist auch der „Avanti“-Organisator hin, indem er den Leuten einschärft, daß das Blockieren der Demoroute bloß eine Ordnungswidrigkeit sei. Weiter geht es mit den Festnahmen: In einem solchen Fall sollten die Blockadeteilnehmer der Polizei keine Auskünfte erteilen, sondern sich strikt an die Anweisungen in der Info-Broschüre „Was tun, wenn’s brennt“ von der linksextremistischen Roten Hilfe halten.

Politische Rückendeckung erhält die Antifa-Bewegung durch eine linke Einheitsfront. So haben den Blockade-Aufruf des Bündnisses „1. Mai nazifrei!“ neben zahlreichen linken und linksextremistischen Organisationen und Parteien wie Linkspartei, DKP, Verdi und VVN-BdA auch prominente SPD-Politiker unterzeichnet (JF 17/10). Scharfe Kritik äußert Berlins Polizeichef Dieter Glietsch, da sich die Politiker hierdurch mit potentiellen Gewalttätern gemein machten. Seine Beamten reagierten darauf „mit absolutem Unverständnis“. Gleiches gilt wohl auch mit Blick auf den obersten Dienstherren, Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Der hatte geäußert, es sei „gut für das Image“ der Hauptstadt, wenn die Proteste „in Hör- und Sichtweite“ der NPD stattfinden. Deshalb unterstütze er als Bürger die Gegendemonstranten. Neben Körting haben sich auch die beiden Landeskirchen und die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde angekündigt.

Rückendeckung erhält das linke Blockade-Bündnis überdies von Teilen der Medien. So hatte ein Radiosender den Termin des Blockadetrainings propagiert, während das Stadtmagazin Zitty postulierte, linke Gewalt äußere sich eigentlich nur in Sachschäden, während rechte Gewalt sich „gegen Menschen“ richte. Dementsprechend seien „blindwütige Attacken auf Polizisten (...) keine ‘linke Gewalt’, sondern eine von Spätpubertierenden angezettelte Schlägerei“. Diese hatte im vergangenen Jahr zum 1. Mai 479 verletzte Polizisten zur Folge. Tatsächlich begangen 2009 radikale Linke erstmals mehr Körperverletzungen als Rechtsextreme, die Zahl linker Straftaten stieg im Vergleich zum Vorjahr um mehr als vierzig Prozent. Sichtbarstes Zeichen dafür sind die beinahe täglichen Brandanschläge in Berlin, die sich längst nicht mehr auf Autos beschränken (siehe unten). Zum bevorstehenden 1. Mai haben Linksextremisten Plakate mit dem Motto „Berlin’s burning“ geklebt. Auf frischer Tat ertappt wurde dabei der Lichtenberger Bezirksabgeordnete der Linkspartei Kirill Jermak. Gegen ihn wird jetzt ermittelt –  wegen einer „Ordnungswidrigkeit“.

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