© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/10 07. Mai 2010

NRW-Wahl
Tag der Abrechnung
Dieter Stein

Ich schwöre, daß ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.“ So lautet der Amtseid der Minister, des Bundeskanzlers, des Bundespräsidenten in Deutschland.  Einen ähnlichen Schwur legen die Mitglieder der Landesregierung in Nordrhein-Westfalen ab, wo am kommenden Sonntag ein neuer Landtag gewählt wird.

In diesen Tagen haben viele Bürger große Zweifel, ob den meisten Politikern erstens der Text des Eides bewußt ist und sie zweitens auch danach handeln. Anstatt die drängenden Entscheidungen zügig anzugehen und den Bürgern reinen Wein einzuschenken, wird seit der Bundestagswahl ein gespenstischer Schleiertanz aufgeführt. Als ob unser Land nicht gerade durch die schwerste Finanz- und Wirtschaftskrise der vergangenen Jahrzehnte gegangen wäre und mit Bankenrettungs- und Konjunkturstabilisierungs-Paketen die Verschuldung unserer Haushalte in völlig neue Höhen getrieben wurde, verharrte die Regierung in Apathie und bot ein Bild wirrer Zerrissenheit.

Vorweg die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel. Sie hoffte, bittere Entscheidungen und Zumutungen auf die Zeit nach der NRW-Wahl verschieben zu können. Dieser Strategie machten die Griechen nun mit ihrem faktischen Staatsbankrott einen Strich durch die Rechnung. Wie schon das Bankenrettungsprogramm peitschten Regierung, Bundesrat und Bundestag hektisch noch vor dem Wahlsonntag ein irrwitziges Rettungsprogramm zur Stützung des vor der Zahlungsunfähigkeit stehenden griechischen Staates durch.

Eigentlich müßte die NRW-Wahl zu einer Abrechnung über die gigantischste Wählertäuschung der deutschen Nachkriegsgeschichte werden. CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne haben Hand in Hand mit Großbanken, Großindustrie und Gewerkschaften das Abenteuer der europäischen Kunstwährung Euro gegen den Willen der Mehrheit der Deutschen durchgesetzt. Politische Gegner wie Manfred Brunner (siehe Seite 3), kritische Stimmen unter Staatsrechtlern und Wirtschaftsexperten wurden mit einer millionenschweren Propagandamaschine mundtot oder lächerlich gemacht. Diese Kritiker haben verantwortungsbewußt vor den drohenden und unkalkulierbaren Belastungen gewarnt, die jetzt eintreffen.

Die Euro-Befürworter hatten die Bürger hingegen über die Konsequenzen getäuscht. Wie log der heutige Bundespräsident und damalige Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Horst Köhler doch in einem Spiegel-Interview 1992: „Wenn sich ein Land durch eigenes Verhalten hohe Defizite zulegt, dann ist weder die Gemeinschaft noch ein Mitgliedstaat verpflichtet, diesem Land zu helfen. (…) Es wird nicht so sein, daß der Süden bei den sogenannten reichen Ländern abkassiert. Dann nämlich würde Europa auseinanderfallen.“ Tatsache ist: Jetzt wird abkassiert – und zwar vor allem in Deutschland. Ob die Wähler das weiter hinnehmen?

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