© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/10 07. Mai 2010

Wer ist der nächste?
Pleitekandidaten: Griechenland war nur der Anfang / Weitere Beben folgen
Marco Meng

Mit mindestens 110 Milliarden Euro wollen EU und Internationaler Wahrungsfonds (IWF) Griechenland bis 2012 stützen. Inzwischen ist aber auch Portugal in den Strudel der Schuldenkrise geraten. Wenn dortige Zeitungen titeln: „SOS, Frau Merkel!“, ist klar, wer die Rechnung wieder bezahlen soll.

Aus Angst vor einer Pleite des ärmsten Landes Südwesteuropas flüchteten vorsichtige Anleger schon massenweise aus portugiesischen Anleihen. Die Wirtschaft des 1986 zur EG gekommenen Landes ist strukturschwach, die versuchte Industrialisierung war schon vorbei, kaum daß sie begonnen hatte. Durch den Euro-Beitritt und die EU-Osterweiterung waren die niedrigen Escudo-Löhne in Portugal kein Wettbewerbsvorteil mehr.

Nun will Lissabon das Renteneintrittsalter von 65 auf 67 Jahre anheben (in Griechenland lag es bislang bei 55). Dazu kommen Beförderungsstopp und Nullrunde bei Löhnen und Gehältern im öffentlichen Dienst. Neben den Einsparungen bei Renten, im öffentlichen Dienst und bei Investitionen plant die Regierung des Sozialisten José Sócrates auch die Verscherbelung des letzten Tafelsilbers – darunter die Post und die staatliche Fluglinie TAP, die 2009 immerhin 57 Millionen Euro Gewinn erzielte.

Zwar sind die Haushaltsbilanzen in Lissabon höchstwahrscheinlich nie beschönigt worden (so wie es die Griechen jahrelang taten, während Brüssel die Augen schloß), doch der staatliche und private Schuldenberg summiert sich hier auf 236 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – und das ist mehr, als aus Athen gemeldet wird.

Griechenland und Portugal sind aber nicht die einzigen Länder, die den Euro belasten: Das einst in der Wirtschaftspresse als „keltischer Tiger“ gefeierte Irland wird mit einem Etatdefizit von 14,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in diesem Jahr erneut den EU-Spitzenplatz einnehmen.

Portugal, Spanien und Irland gelten als Wackelkandidaten

Auf der grünen Insel – die durch die internationale Finanzkrise am härtesten getroffen wurde – stieg die Arbeitslosenrate 20 Monate in Folge, bevor sie sich nun seit Jahresbeginn bei offiziellen 13,4 Prozent einpendelte. Die Regierung in Dublin hat für die Auslagerung fauler Kredite eine sogenannte Bad Bank gegründet, die bisher Papiere im Buchwert von 16 Milliarden Euro übernahm. Insgesamt wird das 4,2-Millionen-Einwohner-Land bis Ende 2010 Kredite von 81 Milliarden Euro übernehmen müssen. Ob Irland das allein leisten kann?

Statt aber den Fehler im ausufernden Schuldensystem zu erkennen, tut man so, als wollten ein paar Börsenhaie den Euro niederzwingen: „Wir müssen es schaffen, den Spekulanten das Handwerk zu legen“, meinte Angela Merkel allen Ernstes. Doch die internationalen Finanzakteure nutzen nur jene Schwächen aus, die sich aus dem europäischen Subventions- und Währungssystem ergeben. Der griechische Staatsapparat und der kreditfinanzierte Konsum konnte sich dank zunächst niedriger Euro-Zinsen aufblähen. Athen, Dublin, Madrid oder Lissabon konnten munter Geld ausgeben, das sie nicht hatten, weil die reichen EU-Staaten zusätzliches Geld in den großen Subventionstopf warfen.

Der Euro ist eben keine europäische D-Mark, da er auch die Drachmen- oder Peseten-Kultur in sich trägt. Da die Problemländer keine eigene Währung mehr haben, die sie zur Anpassung ihrer Wettbewerbsfähigkeit abwerten können, bleibt als „Lösung“ nur der Transfer von Steuergeldern – ein weiterer bailout nach griechischem Vorbild ist aber unbezahlbar. Ein Ausschluß aus der Währungsunion ist bekanntlich nicht vorgesehen. Skurril ist, daß sich formell auch Portugal und Spanien mit „eigenen“ Milliarden am Hilfspaket für Athen beteiligen.

Daß wirtschaftlich stärkere Länder wie Belgien (Schuldenstand 97 Prozent des BIP) oder Italien (116 Prozent) ebenfalls akute Finanzierungsprobleme bekommen, ist vorerst wenig wahrscheinlich. Ihr Etatdefizit lag 2009 mit 6 bzw. 5,3 Prozent unter dem Durchschnitt der Euro-Zone (6,8 Prozent). Auch die Euro-Nachzügler Slowakei und Slowenien sind wohl nicht gefährdet: Mit einer Gesamtverschuldung von knapp 36 Prozent drückt sie bislang eine geringere Schuldenlast als Finnland (44 Prozent). Der Euro-Musterschüler hielt dafür mit 2,2 Prozent erneut die Maastricht-Defizitgrenze von drei Prozent ein – das gelang ansonsten nur Luxemburg.

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