© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/10 07. Mai 2010

Ein himmelschreiendes Clownsolo
Ökumenischer Kirchentag: Vom 12. bis zum 16. Mai proben in München evangelische und katholische Christen mit teilweise skurrilen Veranstaltungen die Einheit
Christian Vollradt

Was haben Fußball, Macht und Mütter gemeinsam? Zu allen drei Themen hat Margot Käßmann etwas auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag beizutragen, der vom 12. bis 16. Mai in München  stattfindet. Mindestens zehn Veranstaltungen – von der Bibelarbeit über den Sport- bis zum Frauengottesdienst – wird die wegen Alkohols am Steuer zurückgetretene frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) maßgeblich mitgestalten.

Spötter nahmen diesen Umstand bereits zum Anlaß, das interkonfessionelle Großereignis in der bayerischen Landeshauptstadt in „Käßmann-Festspiele“ umzubenennen. Um das „Christsein in der offenen Gesellschaft“ soll es gehen, um das „gemeinsame Zeugnis“ in der Welt, das nur glaubhaft sei, „wenn wir auf der Suche nach der sichtbaren Einheit aller Christinnen und Christen bleiben“. Hunderttausend Dauergäste haben sich den Veranstaltern zufolge verbindlich angemeldet; gerechnet wird außerdem mit einer großen Zahl von Tagesbesuchern.

War beim ersten Ökumenischen Kirchentag 2003 das protestantisch geprägte Berlin Gastgeber, so ist es in diesem Jahr das katholische München. Daß die Überwindung der konfessionellen Spaltung eine große Herausforderung darstellt, darin sind sich Vertreter beider großen Kirchen einig. Die Sorge um die Wiederherstellung der Einheit der Christen, sei Anliegen der ganzen Kirche, schreiben dazu die Bischöfe der sieben bayerischen Diözesen und rufen ihr Kirchenvolk zur Teilnahme auf.

Denn der „Weg zur vollen und sichtbaren Einheit“ sei unumkehrbar. Genau hier beklagte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider allerdings die nur „schleppenden Fortschritte“. Viele Christen sähen keine Bewegung, meinte der rheinische Präses, der zugleich Verständnis für die Unruhe und Ungeduld vieler Menschen äußerte. Sichtbarstes Zeichen der Trennung ist die unterschiedliche Auffassung vom Abendmahl.

Wie bei der Premiere im Jahr 2003 wollen auch beim diesjährigen Ökumenischen Kirchentag selbsternannte Basisgruppen konfessionsübergreifend das Abendmahl feiern. Darin sieht der  Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, Vorsitzender der Ökumene-Kommission der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, jedoch eine Provokation. Auch wenn gezielt Katholiken zum evangelischen Abendmahl eingeladen würden, empfinde er dies als „attackierend“, meinte Müller beim Frankfurter Konfessionsgespräch in der vergangenen Woche. Der Catholica-Beauftragte der Lutheraner, Braunschweigs Landesbischof Friedrich Weber, stellte daraufhin klar, von offizieller evangelischer Seite werde es solche gesonderten Einladungen nicht geben, die Abendmahlfeier richte sich „an alle Getauften“. Auch Schneider mahnte, damit behutsam umzugehen; man könne schließlich einen „Partner nicht an den gemeinsamen Tisch des Herrn zerren“.

Für Unmut unter konservativen Christen beider Konfessionen sorgte bereits im Vorfeld der überproportional hohe Anteil von „Sonderveranstaltungen für homosexuell orientierte Besucher“. Hier bietet das Programm in der Tat einiges: vom „Queergottesdienst“ über „Gefangen im falschen Körper – Transsexuelle erzählen“, das „Coming-Out als Kreuz-ung“ bis zur „Lesbischen Spiritualität“. Der Kirchentag privilegiere damit „Formen schöpfungswidriger Sexualität“ und unterstütze Menschen, die „oft in schriller Weise Gottes Wort und die Lehre der Kirche mißachten“, heißt es dazu in einem Protestschreiben des Forums Deutscher Katholiken und der evangelischen Konferenz Bekennender Gemeinschaften.

Nach Meinung der Kritiker  spalte dies „die Gemeinschaft der Christen, anstatt sie zusammenzuführen“. Homo- oder auch Bisexuelle könnten sich schließlich „wie alle Teilnehmer in den Diskussionsgruppen einbringen, ohne diskriminiert zu werden“. Angesichts des Mangels „an geistlichem Leben und an biblischer Orientierung“, der bei vielen Amtsträgern und Gläubigen täglich dramatisch zutage trete, müsse sich der Kirchentag vielmehr auf seinen missionarischen Charakter besinnen, fordern die Initiatoren des Protests, darunter katholische wie evangelische Theologen.

Aus gegebenem Anlaß haben die Kirchentags-Verantwortlichen zwei Veranstaltungen zum Thema „sexueller Mißbrauch“ ins Programm genommen, unter anderem mit dem Mißbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz, Stephan Ackermann, sowie der Beauftragten der Bundesregierung, Christine Bergmann. Am Himmelfahrts-Nachmittag wird zudem ein „himmelschreiendes Clownsolo“ dargeboten. Der Titel des Spektakels: „Glaube, Liebe, Rotwein“. Eine Mitwirkung von Margot Käßmann ist dabei allerdings nicht vorgesehen.

Das Programm des Kirchentages und weitere Informationen im Internet unter www.oekt.de

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