© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/10 07. Mai 2010

Joe, der Millionen-Mann
Deutsche Bank: Durch den Handel mit Staatsanleihen wurden erneut Milliardengewinne verbucht
Axel Glöggler

Josef Ackermann, in Bankerkreisen schlicht „Joe“ genannt, steht seit 2002 an der Spitze der Deutschen Bank. 2004 machte der Schweizer mit seinem Victory-Zeichen im Mannesmann-Prozeß erstmals unrühmliche Schlagzeilen. Dennoch war er im Krisenjahr 2009 mit 9,6 Millionen Euro der höchstbezahlte Manager aller Dax-Unternehmen. Das mag ungerecht erscheinen, denn die Deutsche Bank ist im weltweiten Vergleich ins Hintertreffen geraten. Die Weltfinanzkrise hat sie aber – auch dank der Staatshilfen und Garantien, die der Deutschen Bank indirekt zugute kamen – relativ unbeschadet überstanden. Fünf Milliarden Euro wies sie 2009 als Gewinn aus. Vorige Woche verkündete Ackermann mit 2,8 Milliarden Euro sogar den zweithöchsten Quartalsgewinn ihrer Geschichte.

Solche Finanzkapitäne müssen besondere Fähigkeiten haben, sagen die Befürworter einer Vergütung, die das 300fache eines einfachen Bankangestellten ausmacht. Wenn der Reeder seinen Kapitän nicht entsprechend belohnt, kommen andere und werben ihn ab. Die Konkurrenz um die besten Navigatoren in den atlantischen und pazifischen Stürmen ist der Grund, weswegen das Salär für diese Art von Piloten so hoch ist.

Politiker werden nur selten zur Rechenschaft gezogen

Solche Regeln gelten für politische Navigatoren nicht. Ihr Aktionsradius ist in der Regel auf nationale Felder beschränkt. Sie müssen sich mit Vergütungen begnügen, für die Finanznavigatoren oder Profifußballspieler nur ein müdes Lächeln übrig haben. Wenn Spitzenpolitiker beklagen, daß sie höchstens fünf Prozent dessen einheimsen, was Joe & Co. aufs Konto überwiesen wird, dann vergessen sie, daß sie für ein finanzielles Desaster, das sie angerichtet haben, bislang nicht zur Rechenschaft gezogen werden können.

Sie werden allenfalls aus dem Amt geboxt, müssen sich dann mit geringeren Bezügen bescheiden, aber sie haben nicht den Staatsanwalt im Nacken wie die zunächst hochbezahlten Manager, wenn sie ihr Schiff mit einem Eisberg kollidieren lassen. Der frühere IKB-Chef Stefan Ortseifen steht derzeit in Düsseldorf vor Gericht – die Politiker, die im IKB-Aufsichtsrat saßen, als Ortseifen agierte, hingegen nicht.

Wenn man nun die jüngsten Milliardengewinne der Deutschen Bank unter die Lupe nimmt, stellt sich heraus, daß diese nahezu ausschließlich dem Investmentbanking entstammen. Darunter ist im Prinzip alles zu verstehen, was nicht zu dem ureigensten Geschäft einer Bank gehört, nämlich Einlagen entgegenzunehmen und Kredite auszureichen. Dieses profane Geschäft überließ „Joe“ den Sparkassen sowie den Volks- und Raiffeisenbanken. Dummerweise wollten die mehrheitlich den Sparkassen und den Bundesländern gehörenden deutschen Landesbanken es der Deutschen Bank nachtun – doch in der Finanzkrise scheiterten sie kläglich. Bis auf zwei Ausnahmen ließen sie sich auf Geschäfte ein, von denen sie nichts verstanden.

Investmentbanking heißt zum Beispiel, sich an Auktionen für Staatsanleihen zu beteiligen, die man dann weiterverkaufen muß – an Kapitalanlagegesellschaften, Staatsfonds in Norwegen, im Nahen Osten, in Singapur oder Hongkong, wohin sich das Zentrum der Finanzwelt langsam bewegt. Das ist ein schwieriges Geschäft. Man muß über Verbindungen verfügen, kräftige Argumente haben. Der Inder Anshu Jain, „Head of global markets“ bei der Deutschen Bank, verfügt darüber und verdient deswegen noch mehr als sein Vorstandschef.

Kein Wunder, denn die weltweiten Staatsschulden erreichen astronomische Höhen. In Europa sind es etwa acht Billionen Euro – die griechischen Schulden sind angesichts dessen nur „Peanuts“. Die Staatsschulden der G20-Staaten übersteigen inzwischen ihre jährliche Wirtschaftsleistung um vierzehn Prozent. Aber wer kauft die Schuldpapiere Europas und vor allem der USA, die dank der imperialen Gelüste immer größere Defizite anhäufen? China vor allem, das der bei weitem größte Einzelgläubiger der Welt ist (JF 15/10).

Weltweite Staatsschulden in astronomischen Höhen

Auf über 2,4 Billionen Dollar ist sein fragwürdiger „Devisenschatz“ angewachsen. Auch die Gouverneure der Zentralbanken anderer Schwellenländer treten als Käufer auf. Die Deutsche Bank ist einer der wichtigen Arrangeure in diesem globalen Geschäft, das den Handlungsspielraum der Regierungen einengt, Wachstum kostet und der Vorbereitung einer weltweiten Inflation dient. Darauf sind Ackermanns Gewinne zurückzuführen – es sind vorweggenommene Inflationsgewinne. Darauf gründen sich die Vergütungen des Zehn-Millionen-Euro-Manns. „Joe“ kennt die Folgen, aber er wird sich sagen: „Warum soll ich mich um die volkswirtschaftlichen Folgen meines Tuns kümmern? Ich hab doch einen Vorstandsvertrag. Und der verpflichtet mich, Gewinne für die Aktionäre zu erwirtschaften.“

Das ist das Dilemma des Vergütungssystems, in das Joe eingebunden ist. Er muß und kann so handeln – unter anderem weil die Staaten ihm aufgeben, ihre Schuldpapiere zu verhökern. Das ist der wahre Grund, weswegen wir eine Vergütung von knapp zehn Millionen Euro pro Jahr unappetitlich finden sollten. Gäbe es nicht das uferlose Schuldenmachen, gäbe es keine Fünf-Milliarden-Gewinne für die Deutsche Bank und nicht Millionenvergütungen für Joe & Co., die für sich, ihre Bank und deren Aktionäre nur das Beste aus der Situation zu machen wissen.

Foto: Deutsche Bank-Chef Ackermann: Höhere Staatsschulden bringen höhere Gewinne für die Aktionäre

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