© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/10 07. Mai 2010

Volksgemeinschaft
Politische Zeichenlehre XCVIII: Hammer und Schwert
Karlheinz Weissmann

Wie nicht anders zu erwarten, haben auch an diesem 1. Mai die einen den „internationalen“, die anderen den „nationalen“ Tag der Arbeit gefeiert, sind auf der einen Seite rote und schwarze Fahnen zu sehen gewesen und auf der anderen auch, ähnelten sich die Embleme teilweise frappierend, ergaben sich aber doch Differenzpunkte, sobald man genauer hinsah. Die Feststellung gilt zum Beispiel für das Hammer-und-Schwert-Emblem – bevorzugt rot auf Schwarz – der militanten Nationalisten beziehungsweise Nationalen Sozialisten.

Selbstverständlich ist eine formale Ähnlichkeit zu den Werkzeugemblemen der Linken gewollt, aber vor allem geht es diesen Gruppen um die Fortsetzung einer Tradition, die auf die nationalrevolutionären beziehungsweise nationalbolschewistischen Gruppen der Weimarer Republik zurückweist, die mit Hammer und Schwert die Idee der künftigen „Volksgemeinschaft“ von Arbeitern und Soldaten zum Ausdruck bringen wollten. Zu diesen Strömungen gehörte auch der linke Flügel der NSDAP, und ein entsprechendes Abzeichen trat zuerst 1928 im Kopf der Zeitschrift Nationalsozialistische Briefe auf. Die Briefe wurden von den Brüdern Gregor und Otto Strasser herausgegeben, die 1927 den „Kampfverlag“ gegründet hatten, das wichtigste nationalsozialistische Propagandainstrument in Nord- und Westdeutschland; die Marke des Verlags zeigte einen Adler mit Hammer und Schwert in den Fängen.

Die betont sozialistische Ausrichtung der Strassers übte vor allem auf die proletarische Basis und die Parteijugend der NSDAP eine erhebliche Wirkung aus. Während das Hakenkreuz in der Gestaltung ihrer Zeitungen, Zeitschriften und Plakate ganz zurücktrat, tauchten überall Hammer und Schwert auf, und 1930 führte sogar die HJ „Gaufeldzeichen“ ein, die Hammer und Schwert in Schwarz auf rotem Fahnentuch zeigten.

Als sich Otto Strasser 1930 im Streit von Hitler trennte, gründete er eine „Kampfgemeinschaft Revolutionärer Nationalsozialisten“, die später in die Schwarze Front überging; beide Organisationen verwendeten Hammer und Schwert (ursprünglich kombiniert mit einem Hakenkreuz) auf schwarzen Fahnen. Strasser behauptete, gegen die „Münchener“ einen authentischen Nationalsozialismus zu vertreten, der die Macht gewaltsam erobern und eine radikal egalitäre, gleichwohl nationalistische Ordnung errichten sollte, außenpolitisch würde sich der neue Staat an der Sowjetunion orientieren und Solidarität mit den unterdrückten Völkern Afrikas und Asiens im Kampf gegen den „Westen“ üben.

Strassers Gruppierungen blieben allerdings erfolglos, er selbst mußte 1933 aus Deutschland fliehen und ins Exil gehen. Seine Versuche, von dort und durch Kontakt mit seinen Gefolgsleuten im Reich den Widerstand zu organisieren, waren ebenfalls zum Scheitern verurteilt. Bemerkenswert ist allerdings, daß Strasser auch in der Emigration an dem Begriff „Schwarze Front“ und an der ursprünglichen Symbolik festhielt.

Während Gregor Strasser den Mordaktionen am 30. Juni 1934 zum Opfer fiel, überlebte Otto Strasser und kehrte (unter erheblichen Schwierigkeiten) Mitte der fünfziger Jahre nach Westdeutschland zurück. Er sammelte einen Teil seiner alten Anhängerschaft und versuchte eine – gemäßigte – Variante seines ursprünglichen Programms zu verwirklichen. Die von ihm 1956 gegründete Deutsch-Soziale Union (DSU) trat für eine „organische Demokratie“ und Wiedervereinigung durch Neutralität ein. Die DSU führte wieder Hammer und Schwert, wenngleich das Schwert nicht mehr aggressiv nach oben gerichtet, sondern friedlich gesenkt war und das Ganze von einem Ährenkranz – der das Bauerntum symbolisierte – umgeben wurde.

Die DSU kam nie über den Status einer Splitterpartei hinaus und beschloß 1961 die Selbstauflösung; mit ihr verschwanden auch Hammer und Schwert aus dem Repertoire der politischen Symbolik. Erst in den achtziger Jahren erlebten sie eine Renaissance in kleinen nationalrevolutionären Gruppen, parallel zum Rückgriff dieser Szene auf die Ideen der „Klassiker“ des Zwischenkriegs. Um ein Organisationsabzeichen handelte es sich dabei sowenig wie bei den „Kameradschaften“, die es in der Folgezeit übernahmen, oder der NPD, deren „Taschenkalender des nationalen Widerstands“ Hammer und Schwert auf der ersten Ausgabe von 2004 als Umschlagbild zeigte und seither als eine Art optisches Leitmotiv weiterverwendet.

Die JF-Serie „Politische Zeichenlehre“ des Historikers Karlheinz Weißmann wird in zwei Wochen fortgesetzt.

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