© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/10 07. Mai 2010

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Urlaubsträume
Karl Heinzen

Vor wenigen Wochen hat das Landgericht Düsseldorf die Klage eines Urlaubers abgewiesen, der von seinem Reiseveranstalter eine Preisminderung für einen bereits absolvierten Ferienaufenthalt in der Türkei verlangte. Das gebuchte Hotel sei, so die Begründung der Forderung, zu 80 Prozent mit Russen belegt gewesen, deren lautstarkes und rüpelhaftes Benehmen keine Erholung zuließ. Dem Gericht erschien diese Argumentation jedoch nicht als überzeugend, da sich aus der Nationalität der übrigen Gäste keine pauschale Verringerung der Urlaubsqualität ableiten lasse. Zudem müßten Auslandsreisende damit rechnen, daß sie auf Menschen aus anderen Ländern stoßen.

Das Unbehagen des unterlegenen Klägers wird gleichwohl von zahlreichen Pauschalreisenden geteilt. So mancher kehrt aus dem Urlaub mit der bitteren Erkenntnis zurück, daß sich seine Hoffnungen, sei es auf Ruhe oder auf Vergnügen, nicht erfüllt haben, weil ihm andere Menschen mit ihren unangenehmen Eigenarten dabei in die Quere kamen. Schon seit den Anfängen des Massentourismus beklagen sich Deutsche insbesondere über Niederländer und Engländer wie auch Störenfriede aus dem bereisten Land. Seit dem Ende des Eisernen Vorhangs sind es mehr und mehr die Russen geworden, die, wo immer sie in Scharen einfallen, den Urlaub ruinieren.

Dabei sind es beileibe nicht allein die Deutschen, die sich hier als pingelig erweisen. Sogar die Russen fühlen sich, wie eine aktuelle Umfrage zeigt, durch Reisende aus anderen Ländern belästigt. Unsympathisch sind ihnen dabei vor allem die Deutschen, weil diese viel trinken, sich rüde aufführen, in Bars laut brüllen und ihre häßlichen Körper in der Sonne zur Schau stellen. Nur zwei Prozent der befragten Russen gaben an, sie seien im Urlaub von niemandem gestört worden.

Offenkundig handelt es sich hier um ein strukturelles und unlösbares Problem: Unter den Bedingungen und zu den Preisen von Pauschalreisen läßt sich ein Urlaub, der individuellen Bedürfnissen gerecht wird, nicht realisieren. Andererseits bleibt die Reiselust unausrottbar, obwohl kaum jemand wirklich den Wunsch hegt oder das geistige Vermögen aufbringt, sich auf andere Länder und ihre Menschen einzulassen.

Zwar nähren Auguren die Hoffnung, daß unausweichliche Preissteigerungen den Massentourismus langfristig zum Erliegen bringen werden. Vorerst aber können die Menschen aus ihren Illusionen über Urlaubsträume, die unerfüllbar sind, nicht erlöst werden: Die Veranstalter von Pauschalreisen haben ihre Preise in diesem Jahr sogar gesenkt.

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