© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/10 07. Mai 2010

Im Räderwerk des Nationalismus
Im dritten Teil der „Donauschwäbischen Geschichte“ wird die schwierige Zeit nach 1919 als Minderheit in den k. u. k.-Nachfolgestaaten beschrieben
Richard Hausner

Im Zuge der Debatte um Erika Steinbachs Mitgliedschaft in der Bundesstiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ kritisierte FAZ-Mitherausgeber Berthold Kohler die Bevormundung der Vertriebenen im Umgang mit ihrer eigenen leidvollen Geschichte. Er verglich die personelle Besetzung des Stiftungsrates mit einem Reservat, die Vertriebenen mit Indianern und die Binnendeutschen mit deren „weißen Brüdern“. In diesem Reservat dürfe – so Kohler – „eine Handvoll Eingeborener unter Aufsicht vieler weißer und natürlich weiser Brüder darüber palavern, ob und wie der Indianerkriege zu gedenken sei – in den Grenzen, die der derzeit kleinmütige Große Geist der Versöhnung zieht“.

Die Donauschwäbische Kulturstiftung aus München, die keine öffentlichen Fördermittel erhält und deshalb völlig unabhängig agieren kann, hat diese Grenzen mit ihrer aktuellsten Veröffentlichung durchbrochen. Nach Band I „Das Jahrhundert der Ansiedlung 1689–1805“ (2006) und Band II „Wirtschaftliche Autarkie und politische Entfremdung 1806–1918“ (1996) ist nun der dritte der auf insgesamt vier Bände angelegten Reihe „Donauschwäbische Geschichte“ erschienen: Die Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld des Nationalismus der Nachfolgestaaten 1918–1944.

Die wissenschaftliche Abhandlung, die etwa 800 Seiten und knapp 2.000 Fußnoten beinhaltet, wurde von Georg Wildmann und vier weiteren Privatgelehrten aus der Erlebnisgeneration verfaßt. Einem möglichen Vorwurf der „ethnozentrischen Selbststilisierung“ sieht Wildmann gelassen entgegen, wenn er im Vorwort schreibt: „Versteht man unter dem Begriff ‘Ethnozentrik’ eine Darstellung aus der Sicht des eigenen Volkes unter Beiziehung von Quellen und Schriften aus der Hand volkszugehöriger Autoren, dann mag dem gesagten Projekt eine gewisse Ethnozentrik eignen. Aus der Zielsetzung des Projekts ist auch eine gewisse ‘Selbststilisierung’ unvermeidlich. Die donauschwäbische Geschichtsschreibung sah sich nämlich bis in die Zeit um die Mitte der 1990er Jahre hauptsächlich mit Autoren aus Ungarn und Jugoslawien konfrontiert, die im Sinne der regierenden kommunistischen Parteien ideologisiert waren.“

Besonders gravierend waren die Attacken auf die Waffen-SS-Division Prinz Eugen, die zum 1. März 1942 aufgestellt wurde und zunächst ausschließlich aus Donauschwaben bestand, die gezielt für diese zur Partisanenbekämpfung aufgestellte Einheit rekrutiert wurden. Hier stößt Wildmann auf „unbewiesene Behauptungen, grobe Entstellungen oder maßlose Übertreibungen“, die leider auch in deutschen Darstellungen renommierter Jugoslawien-Forscher wie Holm Sundhaussen Eingang fanden. Die zum Teil haltlosen Vorwürfe seien auf die deutsche Volksgruppe in Jugoslawien übertragen worden, „um diese insgesamt als eine verbrecherische Minderheit abzuqualifizieren und ihre spätere Ausmerzung der Weltöffentlichkeit plausibel zu machen“. Bitter daher, wenn sich von der Politischen Korrektheit abhängige deutscher Historiker eher der kommunistisch-jugoslawischen Historiographie anschließen als der von „Oral History“ dominierten donauschwäbischen.

Weil Wildmann nun weit über die „Oral History“ hinausgeht, besteht die Hoffnung, daß dieses Standardwerk künftig die Berücksichtigung in der wissenschaftlichen Diskussion findet, die es zweifellos verdient. Es gibt über die Donauschwaben in der Zwischenkriegszeit keine Abhandlung, die auf diesem Niveau in die Tiefe geht. Und es gibt wohl keinen Forscher mit einem derart ausgeprägten Detailwissen wie Wildmann. Für sein Lebenswerk wurde der 80jährige im November 2009 mit dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich  ausgezeichnet. Das Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland hatte er bereits 1989 erhalten. Als rastloser Historiograph arbeitet er längst an seiner nächsten Veröffentlichung. Bis spätestens 2012 soll Band IV (1944 bis heute) erscheinen.

Georg Wildmann: Die Tragödie der Selbstbehauptung im Wirkfeld des Nationalismus der Nachfolgestaaten 1918–1944. Donauschwäbische Geschichte, Band III. München 2010, gebunden, 807 Seiten, 39 Euro

Erhältlich ist das Buch – wie auch die Bände I und II (jeweils 20 Euro) – direkt über die Donauschwäbische Kulturstiftung, Postfach 83 02 06, 81702 München, E-Post: kulturstiftung@donauschwaben.net

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