© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/10 14. Mai 2010

NRW-Wahl
Das Debakel am Rhein
Dieter Stein

Jürgen Rüttgers und die CDU haben bei den NRW-Landtagswahlen eine vernichtende Niederlage erlitten – und sie haben es zweifellos verdient. Die CDU erreichte mit 34,6 Prozent der Stimmen das schlechteste Wahlergebnis aller Zeiten an Rhein und Ruhr. In hellen Scharen liefen die Bürger davon: Eine Million Wahlstimmen verlor die Rüttgers-Truppe, Analysten sagen, ein Drittel an die Nichtwähler.

Sicherlich hatte Rüttgers mit Gegenwind aus Berlin zu kämpfen. Damit hatte er jedoch stets kokettiert – wer gegen Berlin protestieren wolle, müsse ihn wählen. Die Wähler haben eigene Schlüsse gezogen. Mit einer Mischung aus Arroganz und Schlitzohrigkeit hatte die CDU insgesamt geglaubt, den Bürgern vorenthalten zu können, wohin die Reise in diesem Land gehen soll. Absehbare schmerzhafte Entscheidungen, die sich aus der Explosion der Staatsschulden und der demographischen Lage ergeben, wollte man den Wählern erst nach der „Schicksalswahl“ in NRW zumuten. Die Griechenland-Krise machte den Taktikern im Adenauer-Haus nun einen Strich durch die Rechnung.

Daß es einen Linksruck, eine Mehrheit für Rot-Rot-Grün gegeben hat, hängt weniger mit der Anziehungskraft linker Ideen zusammen als vielmehr mit dem Fehlen einer bürgerlichen Führung, die diesen Namen verdient. Rüttgers, Laschet & Co brüsteten sich, die SPD als „Arbeiterpartei“ links zu überholen. Die FDP wird daneben unter ihrem Tausendsassa Westerwelle nicht mehr ernst genommen. Passend zu den Eisheiligen des Mai frösteln die Bürger ob der bangen Frage, was ihr hart erarbeitetes Geld künftig noch wert sein wird. Es ist atemberaubend, mit welchen Schnapsideen (Gender Mainstreaming, Multikulti, Gesamtschule etc.) die politische Klasse die Bürger von den wesentlichen Problemen des Gemeinwesens ablenken zu können glaubt, während sie durch ungebremste Ausweitung staatlicher Ausgaben und durch die Destabilisierung der Währung darangeht, den deutschen Steuerzahler noch effektiver auszuplündern.

Durch ihre Enthaltung zum Griechenland-Paket konnte die SPD bei manchem Wähler wieder punkten. Die gegen Islamisierung und Überfremdung kämpfenden diversen rechten Splitterparteien wurden beim Euro-Debakel nicht als Alternative registriert und durchbrachen nicht die Schweigemauer der Medien.

In der Schweiz, wo es mit Blochers Schweizerischen Volkspartei (SVP) eine starke freiheitlich-konservative Kraft gibt, die die Eidgenossen von EU-Abenteuern abhält, wundert man sich über uns. So schrieb jetzt die rechtsliberale Weltwoche aus Zürich: „Man kann die Langmut der Deutschen bestaunen – aber gottgegeben ist sie nicht. Wie lange werden sie noch als Zahlknechte für die osteuropäischen Staaten und die Bankrotteure am Mittelmeer zur Verfügung stehen? Was ist, wenn sich der Unmut über Europa politisch zu formieren beginnt? Warum soll nicht auch Deutschland seine SVP bekommen? Dann geht der Tanz erst richtig los: Wenn sich zur Linkspartei eine Rechtspartei mit Anti-EU-Drall gesellt.“

Daß hierfür derzeit weder Personal, Struktur noch Geld in Sicht ist, wissen wir. Überfällig ist eine solche Alternative allemal.

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