© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/10 14. Mai 2010

Edler Ritter
Feldherr und Kunstfreund: Eine Ausstellung über den Türkenbezwinger Prinz Eugen im Wiener Belvedere
Ekkehard Schultz

Der am 18. Oktober 1663 in Paris geborene Prinz Franz von Savoyen zählt zu den imposantesten europäischen Persönlichkeiten der Barockzeit. Friedrich der Große bezeichnete ihn in seinem politischen Testament als „eigentlichen Kaiser“ und als „Atlas der österreichischen Monarchie“. Durch seine militärischen Erfolge erreichte der Habsburgerstaat in Mitteleuropa die größte Ausdehnung in seiner Geschichte. Populär bei der Nachwelt wurde er vor allem in seiner Rolle als „Türkenbezwinger“.  

Daß dieser Ruf jedoch nur eine Facette im Leben und Schaffen des Prinzen darstellte, belegt eindrucksvoll eine umfangreiche Ausstellung im Wiener Schloß Belvedere. An diesem historischen Ort – einer der bedeutendsten barocken Schloßanlagen Europas, die Eugen zwischen 1714 und 1716 erbauen ließ – wird fast ein Vierteljahrhundert nach der letzten größeren Ausstellung über den Prinzen erneut ein umfangreiches Panorama über den ehemaligen Schloßherrn präsentiert. Neben dem Schlachtenlenker wird dabei in mindestens ebenbürtigem Maße dem großen Kunst- und Bücherliebhaber Beachtung geschenkt. So besticht die Wiener Ausstellung vor allem durch die Fülle an wertvollsten Kunstobjekten.

Trotz seiner hochadeligen Herkunft war für Eugen eine derartige Laufbahn keineswegs selbstverständlich. Denn nachdem seine Mutter Olympia Mancini als angebliche Giftmörderin am Pariser Hof in Ungnade fiel und nach Brüssel floh, scheiterten die Versuche des jungen Prinzen, sich in Frankreich für eine militärische Laufbahn zu bewerben. Zudem sollte er nach dem Willen seiner Großmutter Marie von Bourbon eine kirchliche Laufbahn einschlagen. Da er dieses Ansinnen ablehnte, wurde er des Hauses verwiesen. Der Zwanzigjährige floh am 23. Juli 1683, als Mädchen verkleidet, in einer Kutsche aus Paris an den Wiener Hof, der zu dieser Zeit wegen der Türkenbelagerung in Passau weilte. Dort wurde sein Wunsch, in der kaiserlichen Armee zu dienen, durch die Unterstützung seiner Vettern und des Oberhauptes des Hauses Savoyen von Kaiser Leopold I. erfüllt. Im August 1683 wurde Eugen als Volontär eingestellt. Nach dem erfolgreichen Entsatz von Wien stieg er schnell in der Hierarchie auf;  bereits im Alter von 29 Jahren wurde er kaiserlicher Feldmarschall und 1697 Oberbefehlshaber in Ungarn.

Besondere Verdienste erwarb sich Eugen im Spanischen Erbfolgekrieg zwischen Österreich und Frankreich. Durch den Frieden von Rastatt 1714 erlangte das Habsburgerreich endgültig den Status einer Großmacht. Erst danach konnte sich Eugen ganz auf den Kampf gegen die Osmanen konzentrieren, denen er im August 1716 in der Schlacht bei Peterwardein eine schwere Niederlage zufügte. Diese zählt ebenso zu seinen größten militärischen Erfolgen wie die Einnahme Belgrads im August 1717. Beide Schlachten werden in den kommenden Jahrzehnten vielmals in Gemälden, Plastiken und Liedern verherrlicht, so etwa in dem populären Volkslied „Prinz Eugen, der edle Ritter“. 

Neben seiner militärischen Karriere begann der Savoyer schon früh damit, Kunstschätze aus dem gesamten europäischen Raum zu sammeln. Im Mittelpunkt seiner umfangreichen Bildersammlung standen 178 Gemälde der holländischen und italienischen Schule, darunter Anthonis van Dycks „Amaryllis und Mirtillo“, Pietro della Vecchias „Die drei Grazien“ (um 1640), Francesco Albanis „Adam und Eva“ (um 1635) sowie Bartolomeos Schedonis „Zwei sich umarmende Kinder“ (um 1606/09).

Zur Präsentation dieser Stücke ließ Eugen das sogenannte Cabinet im ersten Stock des heutigen Oberen Belvedere anlegen, in dem rund hundert kleinere Formate zu besichtigen waren. Daneben befand sich ein größerer Bildersaal, neben diesem wiederum die Bibliothek und das Parade- und Audienzzimmer. Für die aktuelle Präsentation konnte erstmalig seit dem Tod von Eugen ein Raum seiner Galerie zum größten Teil rekonstruiert werden.  

Zudem war Eugen ein begeisterter Bücherliebhaber. Insgesamt 15.000 Bände trug er im Laufe mehrerer Jahrzehnte mit der Unterstützung von berühmten Gelehrten wie Gottfried Wilhelm Leibniz zusammen. Zu den besonders wertvollen Objekten zählen 237 Handschriften und kostbare Inkunabeln, etwa ein byzantinischer Codex des Neuen Testamentes aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts sowie die in Paris um 1220 auf Pergament verfaßte „Bible moralisée“ – ein herausragendes Werk der hochgotischen Buchkunst.

Diese sogenannte Bibliotheca Eugeniana war die erste mit einem wissenschaftlichen Katalog erfaßte Büchersammlung. Dieses barocke Raritätenkabinett wurde nach Eugens Tod am 21. April 1738 von Kaiser Karl IV. erworben und gehört heute zu den Sonderbeständen der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien.

Die Ausstellung ist noch bis zum 6. Juni in Wien im Unteren Belvedere und in der Orangerie, Rennweg 6, täglich von 10 bis 18 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr, zu sehen. Der reich bebilderte Katalog kostet 38 Euro.

Foto: Jacob van Schuppen, Reiterbildnis Prinz Eugen von Savoyen

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