© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/10 21. Mai 2010

Zwangsheirat und Geschlechtergerechtigkeit
Integration: Die Neuauflage der Deutschen Islamkonferenz ist geprägt vom Streit über das Fehlen wichtiger islamischer Verbände
Ekkehard Schultz

Unter schwierigen Bedingungen fand am Montag im Berliner Palais am Festungsgraben die Neuauflage der Deutschen Islamkonferenz (DIK) statt. Denn zwei der vier größten Dachverbände der Muslime beteiligten sich nicht an den Gesprächen zwischen Vertretern der Bundesregierung und muslimischer Organisationen unter der Leitung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), die dem wechselseitigen Verständnis dienen und eine bessere Integration ermöglichen sollen.

Der Islamrat in Deutschland (IRD) wurde von den Sitzungen ausgeschlossen, da gegen mehrere Funktionäre seines größten Einzelmitglieds, Milli Görüs (JF 23/09), ermittelt wird. Dieser islamischen Gemeinschaft wird sowohl Antisemitismus als auch Demokratie-feindlichkeit vorgeworfen.

Zudem erklärte der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) bereits im Vorfeld der Konferenz, sich an dem Treffen nicht mehr beteiligen zu wollen. Zur Begründung gab der Vorsitzende des ZMD, Ayyub Axel Köhler, unter anderem an, daß die DIK lediglich ein „unverbindlicher Debattierklub“ sei, der keine Beschlüsse fassen könne. Dies sei jedoch in praktischer Hinsicht „viel zu wenig“. Zudem werde die „wachsende Islamfeindschaft in der deutschen Gesellschaft“ auf der Konferenz nur unzureichend behandelt, sagte Köhler.

„Kein Signal in die Zukunft“

Damit droht aus Sicht von SPD und Linkspartei der DIK, die im November 2006 vom damaligen Innenminister Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen worden war, das Scheitern. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Klaus Wowereit prognostizierte, daß von dem Treffen „kein Signal in die Zukunft“ ausgehen werde. Die Ausladung des Islamrats sei ebensowenig „zielführend“ wie das geringe Verständnis des Innen-

ministers für die Kritik des ZDM. Ohne die Mitwirkung aller muslimischen Dachverbände gebe es „wenig Chancen, den Dialog mit den Muslimen im gewünschten Sinne“ zu führen, sagte Wowereit. Denn die 17 muslimischen Vertreter in der DIK seien nicht ausreichend repräsentativ für über vier Millionen Moslems in Deutschland, die den unterschiedlichen islamischen Religionsgemeinschaften angehörten.

Für die Linkspartei stellt die Neuauflage der Islamkonferenz von Anfang an „eine Farce“ dar. Mit seinem Verhalten gegenüber dem ZMD habe de Maizière zudem gezeigt, daß er dessen „Sorgen über Islamfeindlichkeit nicht ernst“ nehme, sagte Vorstandsmitglied Christine Buchholz.

Dagegen bezeichneten es die Unionsparteien und die FDP als „selbstverständlich“, daß an einer solchen Konferenz nur Personen teilnehmen dürften, gegen die keine strafrechtlichen Vorwürfe im Raum stünden. So unterstrich der innen- und rechtspolitische Sprecher der CSU-Landesgruppe, Stephan Mayer, daß die Islamkonferenz die Wiederaufnahme des Dialogs zwischen allen Beteiligten ermögliche, solange diese „auf dem Boden der freiheitlichen Grundordnung“ stünden. 

Zu den Themenschwerpunkten der Neuauflage der Islamkonferenz zählt die „Förderung von Geschlechtergerechtigkeit“ in muslimischen Organisationen und Einwandererfamilien. Die Grundlage für den Austausch über die Frage, wie die Beteiligung von Musliminnen in Deutschland gefördert werden kann, soll eine Studie über die jeweiligen Rechte und Handlungsfreiräume von muslimischen Männern und Frauen bilden, die in den kommenden Monaten erarbeitet wird. In diesem Zusammenhang sollen auch die Themen Zwangsverheiratung und Kopftuch beleuchtet werden.

Ein weiterer Schwerpunkt ist die „Prävention von Extremismus, Radikalisierung und gesellschaftlicher Polarisierung“. Dabei soll eine konkrete Grenzziehung zwischen „Islam“ und „Islamismus“ herausgearbeitet werden, um auf diesem Wege eine stärkere Distanzierung seitens der Muslime, aber auch die Akzeptanz des Islam als Religion innerhalb der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu fördern.

Des weiteren wird sich die Islamkonferenz mit dem islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen beschäftigen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob sich aus den bisherigen Versuchen ein deutschlandweites Modell entwickeln kann. Zudem soll über ein Konzept für die landes- und gesellschaftskundliche Fortbildung von Imamen in Deutschland beraten werden sowie über die Möglichkeiten der Einrichtung von islamisch-theologischen Angeboten an Universitäten.

Über die Aussichten auf eine gemeinsame Verständigung zu diesen Themen wird die nächste Plenarsitzung der Konferenz näheren Aufschluß geben können, die für Ende 2010 geplant ist. In der Zwischenzeit werden die Gespräche sowohl im Arbeitsausschuß der DIK als auch in unterschiedlichen Projektgruppen fortgesetzt.

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