© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/10 21. Mai 2010

Der schon wieder
Quartalsausraster: Stephan Kramer holt die ganz große Antisemitismuskeule raus und drischt auf deutsche Medien ein
Thorsten Hinz

Zuletzt war es richtig ruhig um Stephan Kramer, Deutschlands bekanntesten Konvertiten nächst dem Islam-Prediger Pierre Vogel. Ausgerechnet im sensiblen Amt als Generalsekretär des Zentralrats der Juden hatte er seine hybriden Allmachtsphantasien ausgelebt. Kramer fühlte sich als oberster Schirmherr der Künste (Darf Hans Pfitzners Kantate „Von deutscher Seele“ heute noch aufgeführt werden? – Nein!), er führte strenge Aufsicht über die deutsche Vergnügungsindustrie (Kein Presseball am 9. November!), als politische Autorität befand er über die Eignung gewählter Ministerpräsidenten (Günther Oettinger), und als theologischer Sachverständiger erteilte er dem Papst wegweisende Ratschläge (Keine Seligsprechung für Pius XII.!). Irgendwann wirkte er so possierlich wie der Vogel, der stündlich mit Getöse der Kuckucksuhr entfliegt.

Wer geglaubt hatte, Kramer hätte sich eine Auszeit genommen, um in sich zu gehen und als ein Geläuterter und Gereifter in die Öffentlichkeit zurückzukehren, der muß sich nun vom Gegenteil überzeugen. In einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin Focus sucht Kramer die große Provokation, indem er der deutschen Presse flächendeckend Antisemitismus unterstellt: von der linksalternativen taz über den liberalen Berliner Tagesspiegel bis zur FAZ, vom Neuen Deutschland bis zur National-Zeitung. Der JUNGEN FREIHEIT wünscht er in Blockwartmanier den Verfassungsschutz an den Hals.

„Die vermeintlich guten alten Zeiten, in denen man als jüdischer Vertreter in Debatten vor Angriffen per Definition geschützt war, sind vorbei“, jammert Kramer. Ersetzen wir mal den „Angriff“ durch „Kritik“, dann beschreibt das doch eine erfreuliche Sachlage, die jüdische Funktionäre davor bewahren wird, sich für unfehlbar zu halten und lächerlich zu machen. Bei Stephan Kramer selbst aber dürften Hopfen und Malz für alle Zeiten verloren sein.

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