© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/10 21. Mai 2010

Heiligkeit ist nicht abgehoben
Die Welt leidenschaftlich lieben: Rolf Thomas präsentiert Leben und Werk des Opus-Dei-Gründers Josemaría Escrivá
Georg Alois Oblinger

Wenn von Heiligen die Rede ist, begegnet man zahlreichen Vorurteilen: Heilige sind meist Priester oder Ordensleute, die etwas Außergewöhnliches geleistet haben und nicht selten auf den Menschen von heute etwas „abgehoben“ wirken. Für viele Menschen ist der Gedanke fremd, daß alle Getauften zur Heiligkeit berufen sind. Meist hängt dies mit einer falschen Sicht von Heiligkeit zusammen: Ein Heiliger ist ein Mensch, der Christus über alles liebt und der auch die unbedeutendste Kleinigkeit des Alltags aus Liebe tut. Damit sind die Berufsarbeit, die Ehe und die Familie keine Hindernisse für die persönliche Frömmigkeit, sondern selbst der Weg zur eigenen Heiligung.

Diese Gedanken klingen heute noch fast ebenso radikal wie zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Noch zu wenig haben sich die Gläubigen diese Denkweise angeeignet, die gerade das Zweite Vatikanische Konzil in lumen gentium und gaudium et spes deutlich dargelegt hat. Doch zu verdanken hat die Kirche diesen Denkansatz dem spanischen Priester Josemaría Escrivá (1902–1975), der im Jahr 1928 die Gemeinschaft des Opus Dei gründete. Christus hat die Welt leidenschaftlich geliebt und sich selbst hingegeben, um sie zu erlösen. Daher soll auch jeder Christ die Welt so lieben wie Christus und sich mit allen seinen Kräften dafür einsetzen, daß Christus erkannt und in der Welt immer mehr sichtbar gemacht wird. Mit diesem Kerngedanken hat Escrivá erstmals eine echte laikale Spiritualität entworfen, die sich rasch in der ganzen Welt ausbreitete und 1982 durch die Errichtung der Personalprälatur Opus Dei eine feste Form gefunden hat.

Doch der Weg bis dahin war lang und beschwerlich. Immer wieder betete Escrivá: „Domine, ut videam.“ – „Herr, laß mich sehen.“ Wenn die Gründung dieses Werkes Gottes Wille war, dann mußte der Gründer den Herrn stets neu bitten, seinen Willen kundzutun. Dabei war ihm die Zustimmung der kirchlichen Autorität sehr wichtig. Mit allem was er tat, wollte er der Kirche dienen. Daher wurde die Liebe zur Kirche und zum Papst bald zum Wesenszug des gesamten Opus Dei. Dabei verfiel Escrivá aber nicht in romantische Verklärung, vielmehr sah er die Kirche stets nüchtern. Er sah, daß es in ihr auch Fehler und Sünden gab. Schon 1970 erkannte er, wie „eine falsche und mißbräuchliche Interpretation des Konzils“ die Kirche von innen zerstörte. Dann sagte er öfter: „Mich schmerzt die Kirche.“

Die Lehre Escrivás ist nun aber kein theologisches Konstrukt, sondern knüpft an am Alltag der Menschen. „Den Alltag heiligen und sich in ihm und durch ihn heiligen“, so lautet der Kern seiner Botschaft. Hier, in ihren familiären wie beruflichen Pflichten, sollen die Gläubigen sich bei allem Tun Christus vor Augen halten und seinem Vorbild nacheifern. Schließlich hat selbst Jesus beispielgebend dreißig Jahre im verborgenen gelebt und zumeist ganz gewöhnliche Dinge getan. Aus dieser Einstellung erwächst dann eine Wertschätzung der kleinen Dinge, die so zum Weg der Heiligung werden.

Von Anfang an, war daher klar, daß das Opus Dei allen Berufsgruppen offenstehen soll. So finden sich hier Akademiker ebenso wie Handwerker oder Angestellte. Da viele Berufe in besonderer Weise den Umgang mit Menschen einschließen, wird dort besonders deutlich, wie die Arbeit auch das Apostolat einschließen kann. So finden sich unter den Opus-Dei-Mitgliedern oftmals auch Politiker und Journalisten. Erstes deutsches Mitglied war Kurt Malangré, der später Oberbürgermeister von Aachen und Mitglied des Europa-Parlaments wurde. Sehr früh schloß sich auch der konservative Historiker und Publizist Peter Berglar dem Opus Dei an, der die erste deutschsprachige Escrivá-Biographie geschrieben hat.

Schon beim Tod des Gründers zählte das Opus Dei weltweit 60.000 Mitglieder. Alle Päpste seit Pius XII. haben dieses Werk gutgeheißen. Papst Johannes-Paul II. hat Josemaría Escrivá 1992 selig- und 2002 heiliggesprochen. Jetzt hat der deutsche Opus-Dei-Priester Rolf Thomas eine Biographie vorgelegt, die eine sehr persönliche Note aufweist. Elf Jahre lang hat der Autor eng an der Seite Escrivás gearbeitet. So hat er sein Buch angereichert mit zahlreichen selber erlebten Begebenheiten, die den Heiligen lebendig werden lassen. Damit wird auch Escrivás zentrales Anliegen unterstrichen: Heiligkeit ist lebbar!

Rolf Thomas: Josemaría Escrivá begegnen. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2010, broschiert, 157 Seiten, 12,90 Euro

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