© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/10 21. Mai 2010

Frisch gepresst

Tibet. In den letzten Wochen des Kampfes um Stalingrad lieferte der Münchner Bruckmann Verlag ein schönes Buch aus, das die Leser an der Heimatfront zur Reise heraus aus dem unerfreulichen Alltag einlud: den Bericht über eine Expedition deutscher Wissenschaftler ins damals noch nahezu unzugängliche Tibet. Wegen der Förderung durch Heinrich Himmler nach 1945 stets knackig-kurz als „SS-Expedition“ firmierend, gilt das 1938/39 gewagte Unternehmen unter der Leitung des Ornithologen Ernst Schäfer heute als fester Bestandteil pseudowissenschaftlicher Spekulation über die vermeintlich engen „spirituellen“ Beziehungen, die zwischen dem buddhistischen Lamaismus und der NS-Ideologie bestanden haben sollen. Dieser stets gut verkäufliche Weltanschauungswust wird von Detlev Rose, dem Herausgeber der Neuausgabe von Schäfers Bericht, der verdienten Lächerlichkeit preisgegeben. Schade nur, daß Rose, ein Kenner der Literatur wie der Aktenüberlieferung, nicht mehr Wolfgang Kaufmanns magistrale Dissertation über „Das Dritte Reich und Tibet“ (JF 12/10) in seine „Anmerkungen zum Forschungsstand“ einarbeiten konnte (Die Deutsche Tibet-Expedition 1938/39. Für Himmler auf dem Dach der Welt? Eine wissenschaftliche Quellenedition, Tyr Edition, Riesa 2010, gebunden, 249 Seiten, Abbildungen, 24,80 Euro). 

 

Wählen gehen. Wer das Wort „Politik“ in den Mund nimmt, hat mit einem bitteren Beigeschmack zu kämpfen. Mehrdeutigkeiten, Heuchelei und faule Kompromisse bestimmen das Handeln mancher „Volksvertreter“. Aus Angst nicht wieder gewählt zu werden, bleiben Ehrlichkeit, Ethik und Moral oft auf der Strecke. Trotz aller Ressentiments ermutigt der überzeugte Christ Michael Kotsch den Bürger, sich einzumischen. Er plädiert dafür, daß auch ein Christ „ein politischer Mensch“ sein soll, weil die Bibel deutlich Grundsätze für ein gesellschaftliches Engagement beschreibe. Die Beziehung der Christen zur Gesellschaft in Vergangenheit und Gegenwart bewertet er kurz und prägnant. An humorvoller Kritik der Parteien spart Kotsch nicht und nimmt Gruppierungen und Programme aufs Korn. So würden CDU/CSU-Politiker vor jeder wichtigen Wahl beteuern, die Homoehe beibehalten zu wollen. Die Demokratie als Staatsform sei für ihn insofern problematisch, da sie Verhaltensweisen „allein kraft Mehrheitsentscheidung als richtig oder falsch“ definiere und dadurch eine „normative Ethik“ kaum zulasse. Bürgern, die sich jeder politischen Mitverantwortung entziehen wollen, bliebe nur eine Alternative: Der Rückzug in eine Kommune unter absoluten Ausschluß jeder Leistung von oder für die Gesellschaft. (Politik – ein schmutziges Geschäft? Lichtzeichen Verlag, Lage 2010, broschiert, 140 Seiten, 6,95 Euro).

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