© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/10 28. Mai 2010

CDU
Roland Kochs Abgang
Dieter Stein

Es war abzusehen, daß nach der NRW-Wahl Entscheidungen fallen, die wieder Bewegung in die politische Landschaft bringen: Der offenbar schon seit langem geplante, erst jetzt aber bekanntgegebene Abschied von Roland Koch aus der Politik zählt dazu. Koch will seine Ämter als Ministerpräsident und CDU-Vorsitzender bis zum 1. September niederlegen. Als potentiellen Nachfolger präsentiert er Innenminister Volker Bouffier.

Mit Koch zieht sich nach Friedrich Merz ein weiteres Schwergewicht aus der aktiven CDU-Politik zurück, das der Parteivorsitzenden Angela Merkel hätte die Führung streitig machen können. Roland Koch hatte man immer auch die Rolle des Vertreters eines „konservativen Flügels“ der CDU nachgesagt – nicht zuletzt deshalb, weil die hessische CDU unter Alfred Dregger traditionell den „Stahlhelm-Flügel“ der Partei repräsentierte. Einen Nachgeschmack bekam das Publikum zu spüren, als Koch 1999 mit einer Kampagne gegen die von Rot-Grün geforderte doppelte Staatsbürgerschaft für Ausländer einen fulminanten Wahlsieg erreichte.

Tatsächlich aber war Koch Pragmatiker und Virtuose der Macht und opferte 2003 nach anfänglichem Zögern seinen konservativen Parteifreund Martin Hohmann, als dieser zur Zielscheibe einer linken Medienkampagne wurde.

Sicherlich hat Koch erkannt, daß nach dem knappen Wahlsieg des vergangenen Jahres und angesichts des Prestigeverlusts der CDU in der Wählergunst jetzt der ideale Moment ist, um der Politik den Rücken zu kehren. Bemerkenswert ist nun, welche Anziehungskraft die Tätigkeit in der Wirtschaft ausübt in einem Moment, da doch die Kanzlerin das neue „Primat der Politik“ besingt. So schlecht stand der Weg in die Politik jedenfalls lange nicht im Kurs. Hinter dem hektischen Aktionismus, den immer neuen „Rettungspaketen“, die innerhalb weniger Tage und Stunden durch die Parlamente gepeitscht werden, steht jedoch trotz verbaler Kraftmeierei in Wahrheit eine Kapitulation des Politischen.

Wer die Szenen aus dem Bundestag der vergangenen Woche vor den Abstimmungen über das milliardenschwere Euro-Rettungsprogramm gesehen hat, den wehte eine Endzeitstimmung unseres parlamentarischen Systems an: Einige Kommentatoren sehen Parallelen zur Politik der Notverordnungen der Weimarer Republik ab 1930. Das Geschwafel von „alternativlosen“ Entscheidungen zeugt von der Selbstentmachtung der Politik.

So könnte der Rückzug Kochs symbolisch für den Anfang vom Ende einer politischen Klasse stehen. Mit seinem Abgang verschärft sich die Krise der CDU, die mit Koch einen ihrer letzten kantigen und durchaus visionären Köpfe verloren hat.

Mit dem Zusammenbruch einer stabilitäts-orientierten Währungspolitik, dem Bankrott des Euro-Experiments, stellen auch zurückhaltende politische Beobachter immer drängender die grundsätzliche Frage nach der Zukunft jener „politischen Kartelle“ (Wolf Schäfer in der FAZ), die für das aktuelle Desaster verantwortlich sind. Vielleicht schlägt jetzt schneller als wir denken die Stunde parteipolitischer Alternativen.

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