© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/10 28. Mai 2010

Helden des Parlamentarismus
Bundestag: Zehn Abgeordnete von Union und FDP haben sich bei den Milliardengarantien für den Euro dem Fraktionszwang widersetzt
Paul Rosen

Es gibt vielleicht 50 Gerechte in der Stadt, ist an der Wand eines Kraftwerks in Berlin-Kreuzberg zu lesen. Im wenige Kilometer entfernten Reichstag im Tiergarten bewiesen zehn Abgeordnete der bürgerlichen Koalition am vergangenen Freitag großen Mut, als sie aus den eigenen Reihen ausscherten und gegen die 123-Milliarden-Bürgschaft zur angeblichen Stabilisierung des Euro stimmten.

Unter den Helden des Parlamentarismus, die die Unabhängigkeit des Volksvertreters höher stellen als blinden Gehorsam gegenüber der eigenen Führung, war mit dem CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler ein alter Bekannter. Gauweiler hatte sich zuletzt mit seiner Klage gegen den Lissabon-Vertrag einen Namen gemacht und die Große Koalition zu einer Gesetzesänderung gezwungen, um dem Parlamentarismus durch eine stärkere Beteiligung in europäischen Fragen den gebührende Stellenwert zurückzugeben. Daß die nächste christlich-liberale Regierung das Parlamentsbeteiligungsgesetz bei erster Gelegenheit ignorierte und wichtige Beschlüsse ohne Beteiligung des Bundestages faßte, ist eine Mißachtung des Souveräns. Nun klagt Gauweiler auch gegen den Euro-Rettungsschirm (siehe die Meldung auf dieser Seite).

Am 9. Mai, einem Sonntag, hatte der EU-Finanzministerrat das Euro-Stabilisierungspaket beschlossen. „Das hätte nach deutschem Recht nicht ohne vorherige Befassung des Deutschen Bundestages erfolgen dürfen“, schreibt Gauweiler in einer Erklärung, mit der er sein Nein im Bundestag begründete  und die auch von den ebenfalls mit Nein stimmenden CDU-Abgeordneten Manfred Kolbe und Klaus-Peter Willsch unterzeichnet wurde. Der Hesse Willsch ist Mitglied im Haushaltsausschuß und der Sachse Kolbe im Finanzausschuß. Sie ahnen vielleicht den Zusammenbruch des europäischen Währungsraums, von dem nur der Zeitpunkt unklar ist.

Das schreiben die drei Abgeordneten auch sehr deutlich: „Der bereits mit dem ‘Griechenland-Hilfegesetz’ eingeschlagene Irrweg einer Bekämpfung der zu hohen Staatsverschuldung durch eine noch höhere Staatsverschuldung wird mit diesem Gesetz mit großem Tempo und drastisch erhöhtem Risiko für die deutschen Steuerzahler weitergetragen.“ Die langfristige Stabilität des Euro werde „nicht gesichert, sondern nachhaltig gefährdet“.  Mit dem saarländischen CDU-Abgeordneten Alexander Funk stimmte ein weiteres Mitglied des Haushaltsausschusses gegen das Milliarden-Paket. Er hatte schon die Griechenland-Hilfe abgelehnt. 

Interessant auch, daß sich mit Veronika Bellmann aus Sachsen ausgerechnet die Obfrau der Union im Europa-Ausschuß enthielt. Sie müßte eigentlich tragende Säule der europäischen Integration sein und dürfte nicht in einer Erklärung schreiben, sie fühle sich „getäuscht“. Bellmann, eine mutige Frau, stimmt Gauweiler und seinen Kollegen „voll inhaltlich zu“. Ihre Abberufung oder gesichtswahrende Wegbeförderung von diesem wichtigen Posten dürfte nur eine Frage der Zeit sein.  Auch der CDU-Abgeordnete Karl-Georg Wellmann aus Berlin, ein Jurist, mag nicht zustimmen, weil man mit den Maßnahmen nur einen „begrenzten Zeitgewinn“ erreiche. Der CSU-Politiker Josef Göppel, der bisher als Umweltpolitiker aufgefallen war, lehnte ab, weil Deutschland konkrete finanzielle Verpflichtungen übernehme, „doch die Beteiligung der Finanzmärkte bleibt weiter unbestimmt“.

Was Bellmann noch vor sich hat, hat der FDP-Abgeordnete Frank Schäffler schon hinter sich. Schäffler trat als Obmann der FDP-Fraktion im Finanzausschuß zurück, nachdem er den Griechen zum Verkauf einiger Inseln geraten hatte. Der junge Ostwestfale ist ein typischer Vertreter seiner Heimat, wo das Herz auf der Zunge getragen wird. Deshalb hat Schäffler im Berliner System, wo die Milliarden-Verschwendung floskelhaft als Beitrag zur Stabilisierung Europas vernebelt wird, nicht den Hauch einer Chance, wenn er schreibt: „Das heutige Europa ist auf dem Weg in die monetäre Planwirtschaft und den politischen Zentralismus.“

Die Euro-Pläne der Regierung wären die große Chance der FDP gewesen, sich als Bewahrer von Demokratie und Marktwirtschaft zu beweisen. Die Epigonen von Theodor Heuss und Erich Mende haben diese Chance vertan. Sie verwechseln Freund und Feind: Statt aus einer Regierung auszuscheren, die den sich diktatorisch gebärenden Eurokraten den Weg bereitet, wollen sie Schäffler zum Teufel jagen. Dem steht nur Lutz Knopek aus Niedersachsen zur Seite, der ebenfalls dagegen stimmte. Überraschend enthielt sich Hermann Otto Solms der Stimme. Von Solms, von der Opposition gerne als Vertreter des Großkapitals kritisiert, kann man eines als sicher annehmen: Mit Geld kennt sich der Prinz aus Hessen aus.

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