© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/10 28. Mai 2010

Angriff an der Heimatfront
USA: Die Anschläge von Muslimen auf Amerikaner sind kein Kulturkampf, sondern eine Reaktion auf die Kriege im Irak, Afghanistan und Pakistan
Patrick J. Buchanan

Faisal Shahzad versuchte am New Yorker Times Square Dutzende seiner Mitbürger mit einer selbstgebastelten Bombe zu massakrieren. Umar Farouk Abdulmutallab wollte eine Maschine der Northwest Airlines über Detroit in die Luft jagen. Major Nidal Malik Hasan erschoß in Fort Hood 13 seiner Kameraden und verwundete 29 weitere. Warum unternahmen sie Mordanschläge auf Amerikaner, die ihnen nichts getan hatten? Was bewog sie dazu, von einem Märtyrertod inmitten eines Haufens amerikanischer Leichen zu träumen?

Alle drei waren Muslime, doch keiner von ihnen war zuvor durch einen langjährigen eingefleischten Haß auf Amerika oder gar durch psychopathische Tendenzen aufgefallen. Hasan trug beim Gebet in der Moschee stolz seine Armee-Uniform. Shahzad hatte die US-Staatsbürgerschaft erworben. Abdulmutallab war als Sohn eines nigerianischen Bankiers in privilegierten Verhältnissen aufgewachsen.

Laut der New York Times wurden sie alle drei durch die Internet-Predigten von Anwar al-Awlaki zum Dschihad aufgehetzt. Der heute im Jemen lebende Imam wurde in den USA geboren und ausgebildet und galt in der Folge des 11. September zunächst als Brückenbauer zwischen dem Islam und dem Westen. Nun hat Präsident Barack Obama seine Ermordung angeordnet. Was haben die vier gemeinsam? Sie wurden als erwachsene Männer zum Haß auf Amerika und der Bereitschaft bekehrt, in einem Heiligen Krieg zu töten und zu sterben. Und mit hoher Wahrscheinlichkeit gibt es viele andere wie sie, die nur auf eine Gelegenheit warten, den Krieg in „Af-Pak“ nach Amerika zu holen.

Wodurch aber sind sie radikalisiert worden? Und warum hassen sie uns? Der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg kommentierte den fehlgeschlagenen Times-Square-Anschlag so: „Wir werden uns nicht einschüchtern lassen von denjenigen, die die Freiheiten hassen, die dieses Land so groß machen.“ Sie hassen uns also nicht etwa wegen der Dinge, die wir im Mittleren Osten tun, sondern wegen der Dinge, für die wir stehen – dafür, daß wir die Freiheit lieben und Frauen gleiche Rechte zuerkennen. Deswegen kommen sie her, um uns zu töten. In mancher Hinsicht ist das eine tröstliche Vorstellung, spricht sie uns doch von der Notwendigkeit frei, ernsthaft über diese Fragen nachzudenken.

Das Wall Street Journal hat jüngst einer abgewandelten Sichtweise das Wort geredet: Daß wir in der islamischen Welt verachtet werden, liege an „Lady Gaga – oder, wenn es Ihnen lieber ist, Madonna, Farrah Fawcett, Marilyn Monroe, Josephine Baker oder jeder beliebigen anderen amerikanischen Frau“. Aus Abscheu vor der US-Dekadenz also haßt man uns – auch dies ein tröstlicher Gedanke. Wenn die Ikonen der Popkultur derartigen Anstoß erregen, können wir wenig dagegen tun.

Die toxische amerikanische Unkultur mag dazu beitragen, daß fromme Muslime uns verabscheuen. Sie ist nicht der Grund dafür, daß sie hierher kommen, um uns zu töten. Mohammed Atta und seine Freunde lenkten ihre Todesmaschinen nicht auf Hollywood – sie nahmen die Zentren und Symbole militärischer und politischer Macht aufs Korn. Die Hisbollah griff Soldaten der U. S. Marines erst an, nachdem sie sich in den libanesischen Bürgerkrieg eingemischt hatten. Vor der Invasion im Irak verübte kein Iraker einen Terroranschlag auf amerikanische Ziele. Und wenn die Mörder vom 11. September tatsächlich von einem solchen Haß auf die Sittenlosigkeit der amerikanischen Gesellschaft getrieben waren – hätten sie dann vor ihrer Tat die Dienstleistungen von Mitarbeiterinnen einer Lap-Dance-Bar in Delray Beach in Anspruch genommen?

Osama bin Laden hat uns zuallererst deswegen den Krieg erklärt, um die massive US-Präsenz auf geweihtem saudischen Boden zu beenden, der Heimat der muslimischen Heiligtümer Mekka und Medina. Manche behaupten, das sei nicht sein eigentliches Motiv gewesen. Die Saudis schienen ihm Glauben zu schenken, denn sie beeilten sich, die Amerikaner von ihrem Luftwaffenstützpunkt Prince Sultan Air Base zu vertreiben. Was die Taliban angeht: Gewiß hätte Lady Gaga dort nichts zu lachen. Aber ihre Botschaft an die Amerikaner ist dieselbe, die General George Washington einst gegenüber den Briten verfocht: Wenn ihr diesen Krieg beenden wollt, müßt ihr unser Land verlassen.

Major Hasan, Abdulmutallab und Shahzad waren offensichtlich zu dem Schluß gekommen, daß die Kriege, die die USA im Irak, Afghanistan und Pakistan vorgeblich „gegen den Terrorismus“ führen, in Wirklichkeit gegen den Islam gerichtet sind. Alle drei entschlossen sich, sich mit ihren Mitteln für die Ermordung ihrer muslimischen Glaubensbrüder zu rächen. Wir werden in unserer Heimat angegriffen, weil wir sie in ihrer Heimat angreifen.

 

Patrick J. Buchanan war mehrfach US-Präsidentschaftskandidat. Er ist Mitbegründer der Zeitschrift „The American Conservative“.

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