© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/10 04. Juni 2010

Erfolgreich abgeräumt
Die CDU nach Köhler, Koch und Merz: Der Rest ist Schweigen
Rolf Dressler

Unlängst noch Friedrich Merz, der hochklassige Wirtschafts- und Finanzkenner, dann Roland Koch, gleichfalls eines der wohl allerletzten politischen Schwergewichte nicht nur der C-Union. Und nun, Knall auf Fall, der sensationelle Blitzabschied Horst Köhlers aus dem Amt des Bundespräsidenten noch ein Querulant weniger, wie eine ostwestfälische Tageszeitung den Ausstieg Roland Kochs unangemessen flapsig kommentierte? Fest steht: Alle drei Männer haben ihre Entscheidung letztlich so getroffen, weil sie sich den Politik- und Parteienbetrieb mit seinen heutigen Abirrungen nicht länger antun wollen.

Atemberaubend rasant indes wird in der CDU die personelle Flurbereinigung vollzogen. Ballast abwerfen so mögen Parteichefin Angela Merkel und ihre Paladine frohlocken. Die Entsorgungsmethode zeitigt trügerische Erfolge. Ein mächtiges Vakuum tut sich auf in den Führungsetagen der Partei Konrad Adenauers und Ludwig Erhards ehrenvollen Angedenkens. Fortan werden dort, weil von ganz oben so gewollt, die Zweit- und Drittklassigen das Sagen haben und das immer diffusere Erscheinungsbild der CDU bestimmen.

Schon seit längerem regiert gerade auch in der CDU pflaumenweiche Konsenstümelei. Personell und weltanschaulich-programmatisch ausgezehrt dümpelt die C-Partei dahin. Und sie erliegt dabei, genau wie Rot und Grün, dem kardinalen Irrtum, daß krampfhaft praktisch irgendwie moderner gestaltet werden müsse. Selbst das, was im besten Ursinne des Begriffs konservativ nach aller guten Menschenerfahrung füglich bewahrt werden sollte. Der CDU scheint es davor zu grausen, mit breiter Brust für unverrückbare Grundüberzeugungen und christliche (!) Elementarwerte einzustehen.

Wie aber könnte, wenn sie es denn ernsthaft wollte, die CDU aus eigener Kraft aus der bedrohlichen Abwärtsspirale heraus und zu besseren Ufern zurückfinden? Vor allem: Mit wem? Vielleicht kann bei der Wegefindung eine bis heute hochaktuelle Beobachtung nützlich sein, die der große deutsche Publizist Harry Pross bereits in den 1980er Jahren machte: Hitler und Goebbels waren propagandistische Stümper, ihre Mythenfabrikation nur ein Handbetrieb, verglichen mit der automatisierten Grenzüberschreitung von Wahrnehmung und Vorstellung, Bild und Sache, Wunsch und Irrwitz, die uns die Medien heutzutage mit ihrer Flut von Scheiniformationen bescheren. Man möchte hinzufügen: nicht nur die bösen Medien, sondern eben auch die herrschende Politik.

Recht unrühmliche Anschauungsbeispiele für derlei Mythenfabrikation liefert leider auch die CDU der Ära Angela Merkel. Ja, zum Unwort des Jahres 2010 müßte eigentlich zwingend das Wörtchen alternativlos bestimmt werden. Denn wer als Spitzenpolitiker das eigene Denken, Tun und Handeln kurz und brottrocken für alternativlos, sprich: den Euro-Rettungswahn für auch nicht im geringsten diskussionswürdig erklärt, überdröhnt damit nicht nur das Basta-Gebaren des Amtsvorgängers Gerhard Schröder; er rückt selbst noch so berechtigte Kritik an objektiv falschen Weichenstellungen in die Nähe angeblich schändlicher Majestätsbeleidigung. Jetzt, kaum zehn Jahre danach, rächt sich in verhängnisvoller Dramatik die übereilte Einführung des unausgegorenen Kunstprodukts Euro ohne das, wie wir schmerzlich erfahren müssen, unerläßliche Fundament einer soliden gemeinsamen EU-Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik. Stattdessen brechen die Staatsführer rüde und in panischer Rette-sich-wer-kann-Manier mal eben zentrale EU-Verträge wie den von Maastricht.

Wirklich alternativlos geboten wäre daher eine endlich offene und ehrliche kritische Debatte weg von den Nebelkerzenphrasen, von der Mythenfabrikation nach bisheriger Brüsseler, Straßburger und Berliner Schönredner-Unart. Hier könnte Angela Merkel vorangehen. Nur, will sie überhaupt die treibende Kraft sein?

Überfällig und ebenfalls alternativlos notwendig wäre es aus der Sicht aller Europäer, den wabernden Schleier um Integration und Zuwanderung endlich aufzubrechen. Und desgleichen den Mythoskleister um den nach politisch korrekter Lesart angeblich ach so friedliebenden Islam. Sogar das unverdächtige Magazin Der Spiegel hatte das multi-kulturelle Gesellschaftsmodell bereits im Jahre 1997 für gescheitert erklärt. Und im März 2007 titelte wiederum der Spiegel klipp und klar: Mekka Deutschland Die stille Islamisierung; eine Islamisierung, aktiv betrieben aus religiös-politischen Motiven und befeuert durch einen unverhohlenen Vorherrschaftsanspruch gegenüber allen nicht-muslimischen Ungläubigen. Die hiesige Politik aber windet sich auch um dieses drängende Zukunftsthema noch immer sträflich herum.

Aufgehellt und entzaubert werden müßten zudem auch die Mythen um die Bildungsrepublik Deutschland, der angeblich nur mit Geld, Geld und nochmals Geld aufzuhelfen ist. Und aufzuräumen gilt es mit dem Ideologengesülze, das von Chancengleichheit redet, insgeheim aber immer noch von altsozialistischer Ergebnisgleichheit träumt. Und, und, und.

An Betätigungs- und Profilgewinnungsfeldern herrscht kein Mangel gerade für die C-Parteien. Nur, so fragen sich nicht wenige im Lande: Könnte Angela Merkel inzwischen nicht auch Kanzlerin der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands sein.

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