© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/10 04. Juni 2010

Die Spaltung wurde vertagt
Korporationen: Auf dem Burschentag in Eisenach haben sich die gemäßigten Kräfte durchgesetzt, doch Zweifel am Zusammenhalt bleiben
Hans Christians

Die befürchtete Spaltung ist vorerst ausgeblieben: Das ist wohl das wichtigste Ergebnis des 20. Burschentags nach der Wiedervereinigung, der in der vergangenen Woche im thüringischen Eisenach stattfand. Im Vorfeld der Versammlung der Deutschen Burschenschaft (DB) waren Massenaustritte und Richtungsstreitigkeiten befürchtet worden (JF 22/10).

Der Dachverband, dem derzeit 123 Mitgliedsbünde mit rund 1.500 aktiven Studenten und etwa 10.000 im Berufsleben stehenden Alten Herren in der Bundesrepublik und in Österreich angehören, befindet sich schon seit Jahren in einem Prozeß der schleichenden Erosion. So haben viele mitgliederstarke Bünde in West- und Mitteldeutschland ihren Austritt aus dem Verband vollzogen, darunter mittlerweile auch alle Jenenser Urburschenschaften.

Nachdem es im vergangenen Jahr in Eisenach zu teilweise krawallartigen Szenen mit rassistischen Auswüchsen unter Alkoholeinfluß gekommen war, war diesmal von allen Beteiligten das Bemühen um Disziplin spürbar. Dies hing vor allem damit zusammen, daß sich zahlreiche überregionale Medien zu den Verhandlungen angekündigt hatten. Die Vorsitzende Burschenschaft Normannia Heidelberg entschloß sich auch aus diesem Grund vorsorglich, die Tagung unter Ausschluß der Öffentlichkeit abzuhalten.

Hintergrund dieser Maßnahme war die Tatsache, daß dem Nachrichtenmagazin Spiegel ein verbandsinternes Schreiben der drei großen Stuttgarter Bünde zugespielt wurde, in dem ein mangelhaftes Demokratieverständnis, permanentes Provokationsgehabe sowie ein Kokettieren mit nationalsozialistischer Symbolik beklagt wurden.

Beide DB-internen Lager auf der einen Seite die rechtsgerichtete Burschenschaftliche Gemeinschaft (BG); auf der anderen Seite vor allem gemäßigte, nationalliberale Bünde aus Westdeutschland schoben sich in Internetforen gegenseitig die Schuld an dieser Indiskretion zu. Insofern wurde die Wahl zur neuen Vorsitzenden Burschenschaft zwischen der am rechten Rand agierenden Alten Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn und der konservativen Münchner Burschenschaft Arminia-Rhenania, der unter anderem der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans-Peter Uhl angehört, zu einer Schicksalswahl über die Zukunft der DB ausgerufen. Nimmt man das Ergebnis laut offizieller Mitteilung der DB gab es eine breite Mehrheit für die Arminia-Rhenania zum Maßstab, dann hat sich der gemäßigte Flügel vorerst durchgesetzt.

Doch Zweifel an dem Zusammenhalt innerhalb des Verbands dürften bestehen bleiben. Viele Tagungsteilnehmer beklagen, daß die Kluft zwischen den österreichischen Bünden (die fast ausschließlich der BG angehören) und den bundesdeutschen Verbindungen im Laufe der Jahre immer größer geworden sei. Wie ein Teilnehmer gegenüber der JF erklärte, habe ein aus Österreich stammender ehemaliger DB-Sprecher ein verbittertes Fazit seiner Vorsitzenden-Zeit gezogen: Man hat uns vom ersten Tag an bekämpft, diffamiert und mit der Nazi-Keule verfolgt. Das hat alles keinen Spaß mehr gemacht. Ähnlich äußerte sich auch der Dritte Nationalratspräsident aus Österreich, Martin Graf (FPÖ), während des Festkommers am Samstagabend. Graf, der der umstrittenen Wiener Burschenschaft Olympia angehört, beklagte ein Klima der Intoleranz und Verfemung.

Doch während die Burschenschaftliche Gemeinschaft zumindest nach außen hin als geschlossener Block auftritt, gilt das liberale Lager als ausgesprochen heterogen. Einig ist man sich dort nur in der Annahme, die BG übe einen zu großen Einfluß innerhalb des Verbands aus. Hinter vorgehaltener Hand ist der Vorwurf zu hören, einflußreiche Kreise betrieben mittelfristig eine Annäherung an die NPD. So hat ein Interview in den Burschenschaftlichen Blättern mit dem sächsischen Landtagsabgeordneten Arne Schimmer dazu geführt, daß Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (Münchner Burschenschaft Franco-Bavaria) seine Zusage als Festredner in Eisenach zurückgezogen hat. Solche Vorfälle seien geeignet, um derzeitige Mitgliedsbünde zum Austritt zu bewegen. Dazu paßt, daß parallel zum Burschentag drei Gießener Burschenschaften ihren freilich schon länger vollzogenen Austritt öffentlich gemacht haben. Die Deutsche Burschenschaft vertritt einen antiquierten und rückwärtsgewandten Vaterlandsbegriff, heißt es dort und: Die liberalen Bünde verfügen über keinen nennenswerten Einfluß mehr.

Um so überraschender mutet da die Nachricht an, daß sich die DB am vergangenen Wochenende auf einen gemeinsamen europapolitischen Nenner einigen konnte: Die Beschäftigung mit den Leitlinien und unverzichtbaren Grundsätzen eines Europa der Vaterländer steht für uns als Träger der nationalen Einigungsbewegung in logischer gedanklicher Kontinuität, so der DB-Sprecher Carsten Engelhardt. Ob dieser Konsens allerdings ausreicht, um die offenkundig immer noch tiefen Gräben innerhalb der Deutschen Burschenschaft zuzuschütten, darf trotz eines friedlichen Burschentags bezweifelt werden.

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