© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/10 04. Juni 2010

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Ausrüstungshilfe
Karl Heinzen

Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bildet afghanische Taliban-Kämpfer in Erster Hilfe aus und versorgt sie auch mit Sanitätsausrüstung, damit sie nach überstandenen Gefechten Selbst- und Kameradenhilfe leisten können. Allein im April sollen 70 Aufständische entsprechende Schulungsprogramme durchlaufen haben. IKRK-Sprecher Christian Gardon betont, daß derartige Unterstützungsmaßnahmen ein Teil des Mandats seiner Hilfsorganisation sind. Ihre Neutralität sei nur zu wahren, wenn sich alle Parteien eines Konflikts gleich behandelt fühlen.

In Berlin stößt die humanitäre Hilfe für die Taliban auf eine breite Zustimmung. Gernot Erler, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion, interpretiert sie als Bestandteil der neuen Afghanistan-Strategie, aus Aufständischen von heute regierungstreue Bürger von morgen zu machen. Elke Hoff, die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, betont, daß das Vorgehen des IKRK richtig und wichtig sei, damit der Kontakt zu den Menschen in den umkämpften Gebieten nicht völlig abbricht.

Für die zahllosen Bürger, die ein Unbehagen darüber empfinden, daß die Bundeswehr in ihrem Namen am Hindukusch Menschen tötet, gibt es somit eine bequeme Möglichkeit, vom heimischen PC aus via Homebanking ihrem Gewissen Erleichterung zu verschaffen. Durch eine Spende an das Rote Kreuz lindern sie die Not der Gegner der deutschen Streitkräfte, ohne befürchten zu müssen, unmittelbar an der Spirale der Gewalt zu drehen.

Aber auch die Bundesregierung könnte und sollte die Hilfspraxis des IKRK als Anregung begreifen. Schon seit längerem führt sie darüber Klage, daß die Anschläge der Taliban zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung fordern. Die daraus resultierende berechtigte Empörung der afghanischen Bürger richtet sich aber in erster Linie gar nicht gegen die eigentlichen Täter, sondern vielmehr gegen die ausländischen Truppen, die den Widerstand provozieren würden. Dies wiederum ist nicht im Sinne der neuen Strategie, die darauf aus ist, die Herzen der Menschen vor Ort zu gewinnen.

Ein Ansatzpunkt, um hier für Abhilfe zu sorgen, könnte eine modernere Ausrüstung der Aufständischen sein. Wären etwa die Sprengfallen nicht improvisiert und stünden den Taliban technologisch ausgereifte Aufklärungsmittel zur Verfügung, so hätten sie auch die Fähigkeit, militärische Ziele punktgenau anzugreifen und Kollateralschäden zu vermeiden. Eine derartige Ausrüstungshilfe sollte einem High-Tech-Land wie dem unseren keine Probleme bereiten.

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