© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/10 04. Juni 2010

Einwurf: Notizen zur Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika, Folge vier
Minimalziel Achtelfinale
Arthur Hiller

Alle sieben Nationalmannschaften, die in den bisher 18 WM-Turnieren am Ende die Siegestrophäe in den Händen hielten, sind in diesem Jahr in Südafrika vertreten. Von ihnen können sich vor der ersten Bewährungsprobe sechs Teams wenigstens gewisse Hoffnungen machen, ihrem Trikot Mitte Juli ein weiteres Sternchen hinzufügen zu dürfen. Drei von ihnen, Brasilien, Argentinien und Italien, muß man sogar zum Kreis der veritablen Favoriten zählen.

Als chancenlos unter den Titelträgern der Vergangenheit ist allein Uruguay anzusehen, der Champion der Turniere von 1930 und 1950. Der letzte große Auftritt dieser Mannschaft auf der Weltbühne liegt vier Jahrzehnte zurück, als man sich bei der WM in Mexiko der DFB-Auswahl um Uwe Seeler im Spiel um den dritten Platz knapp geschlagen geben mußte.

Das Überstehen der Gruppenphase ist für die übrigen Titelgewinner von einst das unabdingbare Minimalprogramm, alles andere würde den Seelenhaushalt der Nationen nachhaltig zerrütten. In K.o.-Spielen kann man tragisch scheitern, ohne den Glauben an sich selbst zu verlieren, im Modus Jeder-gegen-jeden ist ein Scheitern jedoch der Nachweis nicht zu beschönigender Unzulänglichkeiten. Für Deutschland würde das Aus nach drei Spielen zudem einen Traditionsbruch darstellen. Von 1954 an ist der DFB-Auswahl, die an allen seither ausgetragenen 14 Turnieren teilnahm, ein derartiges Schicksal nicht widerfahren. Das Spielerpotential mochte noch so bescheiden sein, und man konnte sich im Auftaktspiel sogar der algerischen Übermacht geschlagen geben für ein Weiterkommen hat es trotzdem stets gereicht.

Die Bilanz der anderen Champions sieht in dieser Beziehung schlechter aus. Die Franzosen als Fahrstuhlmannschaft des Weltfußballs verpaßten fünfmal die Qualifikation und scheiterten in vier Turnieren bereits in der Vorrunde. Sogar der Rekordweltmeister Brasilien mußte schon einmal zum frühestmöglichen Zeitpunkt die Heimreise antreten allerdings liegt dies 44 Jahre zurück.

Aus dem Respekt, den Joachim Löw und die anderen DFB-Gewaltigen den deutschen Gruppengegnern in Südafrika zollen, spricht daher eher die Höflichkeit des Sportsmannes denn eine tiefe Sorge, womöglich eine Blamage zu erleiden. Nennenswerte Erfahrungen mit Australien, Ghana und Serbien gibt es nicht. Es handelt sich weder um Angstgegner noch um Mannschaften, die viel mehr als Achtungserfolge aufzuweisen haben. Auch gegen sie kann man natürlich Punktverluste erleiden, aber dies würde kein Omen für den Fortgang des Turniers darstellen. Wann immer man das Endspiel erreichte, und das war seit 1954 immerhin sieben Mal der Fall, gab es schwache Auftritte und zumindest ein Unentschieden in der Vorrunde.

Nachdenklich würde eher eine saubere Weste in dieser Phase stimmen: Dies war zweimal zu verzeichnen, 1970 und 2006, und stets reichte es am Ende nur für den dritten Platz.

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