© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/10 04. Juni 2010

Frisch gepresst

Veit Harlan. Ein Geniestreich wie Helmut Käutners Kammerspiel Romanze in Moll (1943) ist ihm nicht gelungen. Trotzdem hätte Veit Harlan nicht als Goebbels Starregisseur oder ausschließlich als Schöpfer von Jud Süß (1940) und Kolberg (1945) in die Filmgeschichte eingehen müssen. Für diese politisch-historischen Stoffe fehlte ihm die Begabung, so daß Handwerklich-Dilettantisches vor allem den großartigen schauspielerischen Leistungen eines Ferdi­nand Marian oder Heinrich George in die Quere kommt. Im privaten Format des Melodrams, in Die Reise nach Tilsit (1939) oder Immensee (1943), ist er aber wirklich ein begabter Bilderzähler, der sich freilich auch auf diesem Terrain nicht mehr voll entfalten konnte, weil er seit 1940 die weibliche Hauptrolle stets mit seiner zweiten Frau, der talentlosen Kristina Söderbaum besetzte. Mit diesen filmästhetischen Wertfragen hält sich die Historikerin Ingrid Buchloh freilich nicht allzu lange auf. Ihre Aufmerksamkeit, in der ersten Harlan-Monographie, die höchsten wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, gilt dem kulturpolitischen Kontext von Harlans Schaffen im Dritten Reich wie dem Fall Harlan als Paradestück der Vergangenheitsbewältigung in der Bonner Republik. Vom willigen Diener der Nazis bleibt jedenfalls am Ende dieses quellengesättigten, auch mit Unterstützung der Familie entstandenen Werkes kaum etwas übrig. Es dürfte daher Kritiker finden, die darin eine so späte wie gründliche Entnazifizierung des Künstlers hineinlesen, ohne daß damit den gut begründeten Analysen der Autorin Abbruch getan werden könnte (Veit Harlan. Goebbels Starregisseur. Ferdinand Schöningh Verlag, Paderborn 2010, gebunden, 347 Seiten, Abbildungen, 34,90 Euro).

 

Nahost. Obama ist die Hoffnung. Der frühere Botschafter Israels in Deutschland, Avi Primor, sieht im US-Präsidenten den geeigneten Widerpart gegen die Extremisten auf beiden Seiten, um der Hoffnung einer friedlichen Koexistenz zwischen Israelis und Palästinensern neues Leben einzuhauchen. Deshalb müsse die EU dem eingeschlagenen Kurs des State Department mit mehr Eifer folgen. Tatsächlich hat Obama den allzu anmaßenden israelischen Ministerpräsidenten Bibi Netanjahu bereits mehrfach zur Raison gerufen, was auch die arabischen Nachbarn registriert haben. Ob aber seine Macht die Extremisten in Nahost und natürlich auch in der proisraelischen US-Lobby derart zu zügeln, daß es letzlich sogar zur gemeinsamen Realisierung von Großprojekten wie etwa bei der Wassergewinnung führen könnte wie Primor fast schwärmerisch fabuliert , muß selbst der größte Optimist bezweifeln (Frieden in Nahost ist möglich. Deutschland muß Obama stärken. Edition Körber Stiftung, Hamburg 2010, broschiert, 93 Seiten, 10 Euro).

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