© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/10 11. Juni 2010

Wer bar bezahlt, will etwas verbergen
Im Namen des gläsernen Endverbrauchers: In Schweden läuft eine Kampagne gegen Münzen und Geldscheine
Richard Stoltz

Sind die Schweden total von der Rolle? Seit Wochen nun schon läuft dort eine lautstarke Medienkampagne gegen das Bargeld. Es soll vollständig abgeschafft werden, keine Münzen mehr, keine Geldscheine mehr, nur noch Kreditkarten oder Handy-Nummern. Wortführer von „Anti-Cash“ sind mächtige Gewerkschafsfunktionäre und Leiter staatlicher Aufsichtsbehören für „Arbeitsschutz“ und dergleichen, die sich zur Zeit in protzigen Interviews und sonstigen öffentlichen Stellungnahmen geradezu überschlagen.

„Jede dritte Bargeld-Krone ist schwarz!“ toben sie. „Wer Bares besitzt, hat etwas zu verbergen!“– „Wer bar bezahlt, fördert Prostitution und Geldwäsche!“ – „Jedes Großmütterchen, das mit einigen Münzen im Täschchen über die Straße geht, wird überfallen und ausgeraubt!“ Die Parolen klingen immer hysterischer – und widersprüchlicher.

Die internationale Finanzkrise kann man mit solchen Sprachorgien gewiß nicht besiegen. Es sind doch gerade die großen Spekulanten und die Bosse von internationalen Verbrechersyndikaten, die bargeldlos operieren. Fast könnte man glauben, sie seien es, die „Anti-Cash“ ins Werk gesetzt haben, um sich spontane Konkurrenz vom Halse zu schaffen.

Wahrscheinlicher ist freilich, daß sich hier staatsbürokratische, halb sozialistische Kontrollwut und sozialer Betreuungseifer austoben. Der „gläserne Endverbraucher“ wird wieder einmal angepeilt. Wer keine anonymen Kronen mehr in der Tasche haben darf, der ist nicht mehr frei, der ist den Bürokratien hilflos ausgeliefert. Man wundert sich, daß sich das schwedische Publikum Derartiges scheinbar widerstandslos gefallen läßt.

Man kann ja eine Menge gegen das Geld und seine anonyme Macht einwenden. Aber alles hat eben eine negative und eine positive Seite, und die positive Seite beim Geld ist zweifellos der Cash, also das Bare an ihm, das sich jederzeit und ohne Loyalitätsbekenntnis in Gebrauchswert und gelebten Augenblick umsetzen läßt. Auch der sprichwörtliche kleine Mann profitiert davon, sofern er halbwegs hinreichend über Bares verfügt. Die schwedische Anit-Cash-Kampagne ist ein Anschlag auf die Würde des kleinen Mannes.

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