© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/10 11. Juni 2010

Bürgerliche Totengräber
Geldnot: Bau des Berliner Stadtschlosses verschoben
Ronald Berthold

Treffender konnte in bezug auf die Wiedererrichtung des Berliner Stadtschlosses nicht vorwegggenommen werden, wie weltanschaulich irrelevant die vermeintlich politische Ausrichtung der Bundesregierung für die Kulturpolitik ist: „Es wäre ein makabrer Vorgang, wenn die bürgerliche Bundesregierung ein Vorhaben, das 20 Jahre lange gegen ideologische Widerstände von links erkämpft wurde, beiseite legt“, orakelte der Vize-Präsident des Berliner Abgeordnetenhauses Uwe Lehmann-Brauns einige Tage, bevor das Merkel-Kabinett das Projekt endgültig verschob.

Genauso ist es nun gekommen. Und die Worte Lehmann-Brauns’ benötigen keiner weiteren Interpretation. Daß sie ein CDU-Politiker ausspricht, der seit 31 Jahren im Berliner Landtag sitzt, verdeutlicht einmal mehr, wie weit sich die Union von ihren Wurzeln entfernt hat.

Ursprünglich sollte mit den Bauarbeiten im nächsten Jahr begonnen werden. Von den geschätzten Kosten von 552 Millionen Euro wollte der Bund 440 Millionen Euro tragen, das Land Berlin sollte 32 Millionen Euro zahlen, und 80 Millionen Euro sollten von privaten Spendern beigesteuert werden. Der nun nach den Sparplänen der Bundesregierung erst für frühestens 2014 ins Auge gefaßte Baubeginn überläßt es aller Wahrscheinlichkeit nach einer rot-rot-grünen Bundesregierung, über das Vorhaben endgültig zu entscheiden. Denn in vier Jahren wird der Kanzler sicherlich nicht mehr von der Union gestellt. Wie dieses Votum dann aussehen wird, ist nicht schwer zu erraten. Das Einsparen des politisch korrekt „Humboldt-Forum“ genannten Schlosses ist also kein Aufschieben, sondern ein Aufheben. Die schwarz-gelbe Bundesregierung ist der Totengräber der Rückbesinnung auf preußische Geschichte. 

Einmalige Investition in Deutschlands Zukunft

Die Argumentation, um der Schuldenbremse gerecht zu werden, müsse überall gespart werden, zieht zudem beim Wiederaufbau des Schlosses nicht. Denn hier geht es um keine konstanten Ausgaben wie dem Arbeitslosengeld oder sonstigen Sozialleistungen. Die Errichtung des Humboldt-Forums ist eine einmalige Investition in die Zukunft Deutschlands und seiner Hauptstadt. Zudem ist voraussehbar, daß die Baukosten in vier Jahren deutlich höher liegen werden als heute. Außerdem müssen nun für knapp 400 Millionen Euro die Dahlemer Museen saniert werden, in denen bisher die Kunst ausgestellt ist, die demnächst in Mitte gezeigt werden sollte. Darauf hat Berlins Kulturstaatssekretär André Schmitz schon vor der Entscheidung aufmerksam gemacht. Diese Summe entspricht etwa dem Baukostenanteil des Bundes für den Wiederaufbau der Hohenzollern-Residenz. Gespart wird also selbst dann nicht, wenn das Projekt komplett gestrichen wird.

Reine Augenwischerei ist der Verweis auf das sparsame Haushalten der preußischen Könige, die den Bau ebenso gestoppt hätten. Friedrich der Große ließ das Neue Palais in Potsdam gerade zu jener Zeit bauen, als die Staatskasse nach dem Siebenjährigen Krieg leer war. Auch seine Nachfahren wollten nicht die Schulden der Griechen und anderer Europäer bezahlen, um repräsentative Projekte zu stoppen. Die Armseligkeit, das Zentrum seiner Hauptstadt als Brache darniederliegen zu lassen, den Saus und Braus anderer Nationen aber zu finanzieren, kann sich kein Hohenzollern-Fürst vorwerfen lassen.

Der Unterschied zu den heute Herrschenden wird deutlich, liest man das „Preußen“-Gedicht des Generaloberst von Mackensen von 1947: „Preußen ist weder Volkstum noch Rasse / Preußen ist Haltung und niemals Masse / Preußen ist Pflicht nach Immanuel Kant / Preußen ist Treue zu Volk und Land.“

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