© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/10 18. Juni 2010

Zwang zum ewigen Wachstum
Konservatismus: Die Jahrestagung des Studienzentrums Weikersheim widmet sich Fragen nach Herkunft, Gegenwart und Zukunft
Johannes Kessner

Maß herrsch! Und jedes Heute hab seine eigne Freude. Im Herren Freud verspüre, dem Leichtsinn sperr die Türe!“ Der im Kloster Schöntal verewigte Vers taugt dazu, die christlich-konservative Haltung zu beschreiben, der das Studienzentrum Weikersheim verpflichtet ist. Und so paßte es gut, daß der Jahreskongreß in diesem Jahr in der ehemaligen Zisterzienserabtei im Jagsttal in Baden-Württemberg abgehalten wurde.

Knapp 150 Teilnehmer folgten am vergangenen Wochenende der Einladung des Studienzentrums. Bereits am Vorabend der Zusammenkunft würdigte Stefan Winckler vor Jung-Weikersheimern Gerhard Löwenthal als einen herausragenden Journalisten, der durch seine unbestechlich unabhängige Analyse die Feindschaft sowohl von Linken als auch Rechtsextremisten auf sich zog. Das von ihm geleitete ZDF-Magazin hat im Rundfunk noch immer eine klaffende Lücke zurückgelassen.

Der Historiker Alexander Demandt lenkte schließlich getreu dem Weikersheimer Wahlspruch „Keine Gegenwart und Zukunft ohne Herkunft“ den Blick zurück, um heute wirksame Visionen und Illusionen zu erkennen. Demandt konstatierte den in Europa zuvor nie dagewesenen allgemeinen Wohlstand, das Maß an Freiheit und innerem Frieden, kritisierte aber den daraus erwachsenen grenzenlosen Fortschrittsglauben. Das Zeitalter der Hochkulturen sei in der Menschheitsgeschichte bislang nur eine Episode. Der Systemfehler des Kapitalismus liege in der Verschwendung und dem Zwang zum ewigen Wachstum. Die Spezialisierung der Volkswirtschaften in der globalisierten Wirtschaft berge Risiken. Landwirtschaft zu subventionieren, könne daher sinnvoll sein. Zugleich warnte Demandt vor Überdramatisierungen der Lage. Mit der Vision einer einzigen großen Völkerfamilie in Europa und der Welt sei es wie mit einer Oase in der Wüste: Selbst wenn man sie nicht erreichen könne, lohne es, Schritt für Schritt auf sie zuzuhalten.

Dietrich Murswiek, Staatsrechtslehrer an der Universität Freiburg (siehe auch Seite 3), wandte sich gegen Diskurse, in denen als guter Europäer nur gelte, wer mehr Kompetenzen auf die EU übertragen wolle, und als Euroskeptiker und Antieuropäer abqualifiziert werde, wer den europäischen Zentralismus kritisiere. Das bremse die Tendenz zu sich gleich einem Ölteppich ausweitenden Gemeinschaftskompetenzen. Zwar dürfe die Bundesrepublik in einem europäischen Bundesstaat aufgehen; diese Entscheidung sei nun aber der Routine der Politik entzogen und bedürfe einer Entscheidung des deutschen Volkes. Indem Murswiek die Bedeutung des Staatsvolks als Subjekt der Demokratie des Grundgesetzes herausgearbeitet hat, scheint die weiterreichende Frage auf, ob eine gewisse Homogenität des Volks für die Dauerhaftigkeit einer Staatsordnung und die Tradierung seiner Kultur nicht nur zweckmäßig, sondern auch verfassungsrechtlich geboten ist, das Demokratieprinzip also Gewährleistungen enthält, die dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Staatsbürgerschafts- und Wahlrechts Grenzen setzen.

Der Währungswissenschaftler Wilhelm Hankel widmete sich dem Zustand des Euro. Dieser liege auf dem Sterbebett, auch von dort aus könne er aber noch einen Amoklauf starten. Doch die Erfüllung nationaler Aufgaben sei wichtiger als der Erhalt der Gemeinschaftswährung. Die aktuellen Rettungsmaßnahmen aus Steuermitteln dienten nur den Banken als Gläubiger. Deren Schuldnerstaaten müßten wieder die Pistole der Währungsabwertung ziehen können, forderte Hankel, der darauf verwies, daß die Sparguthaben der Bürger in Deutschland über die Einlagensicherung geschützt seien. Deutschland solle aus der Euro-Zone austreten. Dann könne eine Wiederaufwertung der Währung einsetzen, die schließlich zur sozialen Dividende würde.

Weiter Informationen im Internet unter studienzentrum-weikersheim.hosting.eduxx.de/

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