© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  25/10 18. Juni 2010

Gegen jede „Schwamm drüber“-Propaganda
Zwei autobiographische Werke schildern den Spitzel- und Unrechtsstaat DDR anschaulich und ergreifend / Mahnung gegen die Kultur des Vergessens
Thomas Schneider

Wann werden auch die Letzten in Deutschland begreifen, daß die Linken in Politik, Kirche und Gesellschaft das deutsche Volk wieder in Richtung Totalitarismus treiben? Viele leiden augenscheinlich an politischer Demenz. In Schulen und Vereinen schleichen sich Ewiggestrige ein, um historische Tatsachen bewußt falsch zu interpretieren. Gott sei Dank gibt es mutige Menschen wie Eberhard Heiße und Birgit Schlicke, die mit ihrer Lebensgeschichte Geschichtsfälschungen an den Pranger stellen.

Eberhard Heiße ist eine Kämpfernatur, geboren im Erzgebirge. Seitdem er seine Autobiographie veröffentlicht hat, kommt er nicht mehr zur Ruhe. Eine Autorenlesung folgt der anderen. In „Durchs rote Meer und andere Wüsten“ (auch erschienen als Hörbuch) schreibt Heiße das, was heute manche nicht mehr wahrhaben wollen. Als Hitlerjunge fasziniert ihn der Traum vom Tausendjährigen Reich. Doch seine frühzeitige Erfahrung mit wehenden Fahnen und dem schmerzhaften Riß durch das deutsche Volk hat ihn wachgerüttelt. Am 17. Juni 1953 marschiert Heiße beim Volksaufstand in Berlin mit.

Zehn Jahre später kommt Heiße in die Fänge des DDR-Staatsicherheitsdienstes (Stasi). Als junger Diakon der Evangelischen Kirche erzählt er jungen Menschen, was für ihr Leben wertvoll und wichtig ist. Und genau das paßt den SED-Genossen nicht. Das ist Aufruhr gegen die staatlich verordnete Ideologie. Auf Schritt und Tritt wird Heiße verfolgt und bespitzelt. Unzählige Inoffizielle Mitarbeiter der Stasi, darunter auch Pfarrer und kirchliche Mitarbeiter, werden auf ihn angesetzt. Sie legen über Heiße einen Aktenberg mit mehr als 4.000 Seiten an. Die wohl schmerzlichsten Wunden werden ihm und seiner Frau zugefügt, als die Stasi ihren Sohn Stephan wegen angeblicher Staatsverleumdung und anschließend seine Schwester Susanne wegen versuchter Republikflucht verhaftet. Bis 1989 erfährt Heiße die ganze Härte des SED-Unrechtsstaates. Wie er schreibt, hat ihm allein sein christlicher Glaube die Kraft dazu gegeben, alle Repressalien auszuhalten.

Was Heißes Kinder im DDR-Zuchthaus erlebt haben, bestätigt Birgit Schlicke in „Gefangen im Stasiknast – Tagebuch einer politisch Gefangenen im Frauenzuchthaus Hoheneck“. Die heute in Wiesbaden lebende ehemalige DDR-Gefangene belegt die unfaßbaren und menschenverachtenden Machenschaften des kommunistischen Regimes. Nachdem ihre Eltern einen Ausreiseantrag stellten, bekommt sie Bildungsverbot und muß die Oberschule verlassen. Als 1987 feststeht, daß der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker die Bundesrepublik besuchen wird, ruft Gerhard Löwenthal im „ZDF-Magazin“ Ausreisewillige auf, Petitionen an die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) zu schicken, die Honecker während seines Besuchs übergeben werden sollen. Schlickes Vater schreibt einen Brief und läßt ihn über einen Kurier der IGFM überbringen. Was er nicht weiß: Der Kurier ist ein Stasi-Mann. 1988 werden Vater und Tochter verhaftet. Wochenlang steht die junge Frau im Kreuzverhör der Stasi-Untersuchungshaft. Dann folgen Haftbefehl und Anklageschrift wegen „Landesverrats“.

Schlicke wird angeklagt, „gemeinschaftlich und arbeitsteilig handelnd, landesverräterische Nachrichtenübermittlung begangen und in Tateinheit dazu die staatliche Ordnung mehrfach durch öffentliche Herabwürdigung und Beeinträchtigung angegriffen zu haben“. Erst später erfährt Schlicke, daß der aus Kirchenkreisen empfohlene Rechtsanwalt und nach 1989 als Mitbegründer der Partei Demokratischen Aufbruchs tätige Wolfgang Schnur selbst Stasi-Spitzel ist. Schlickes Vater wird zu vier Jahren und sechs Monaten, sie zu zwei Jahren und sechs Monaten Zuchthaus ohne Bewährung verurteilt – nur weil sie den Brief ihres Vaters an die IGFM mit ihrer alten Schreibmaschine abgetippt hat. Im Frauenzuchthaus Hoheneck (Sachsen) geht sie durch die Hölle: Drill, Zwangsarbeit, Schikane, bedrängt von Mörderinnen und lesbischen Mitgefangenen. Ihren 20. Geburtstag verbringt sie hinter Gittern. Und obwohl die Berliner Mauer bereits am 9. November 1989 fällt, wird Schlicke nach fast zwei Jahren Zuchthaus erst am 17. November in die Freiheit entlassen. Am 3. Dezember verläßt sie die DDR. Die über sie von der Stasi akribisch geführten Akten und Mikrofilme beweisen, daß der hochgelobte „sozialistische Arbeiter- und Bauernstaat“ ein totalitärer Unrechtsstaat gewesen ist.

Bis heute sind unverbesserliche ehemalige SED-Genossen um Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht auf Tour, um der DDR etwas Positives abzuringen, und proklamieren ihre paranoiden Ideen auf allen nur denkbaren gesellschaftspolitischen und medialen Bühnen. Gerade deshalb braucht Deutschland Menschen wie Eberhard Heiße und Birgit Schlicke, die mit Herz, Gottvertrauen und klarem Verstand gegen das ewige Geplärre dieser Geschichtsrevisionisten Flagge zeigen.

Eberhard Heiße: Durchs Rote Meer und andere Wüsten. Die Geschichte meines Lebens. Lichtzeichen Verlag, Lage 2009, gebunden, 208 Seiten, 14,95 Euro

Birgit Schlicke: Gefangen im Stasi-Knast. Tagebuch einer politisch Gefangenen im Frauenzuchthaus Hoheneck. Lichtzeichen Verlag, Lage 2009, gebunden, 318 Seiten, 12,95 Euro

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