© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/10 25. Juni 2010

„Für Deutschland mit dem Herzen“
Er holte als erster den Titel. Horst Eckel – einer der letzten Helden von 1954 – über Fußball und Patriotismus
Moritz Schwarz

Das gestohlene Interview / Chronologie eines Skandals: DFB setzt Horst Eckel unter Druck 

Den Lesern der JUNGEN FREIHEIT wollte Horst Eckel, einer der letzten Heroen des „Wunders von Bern“, über den schwierigen Stand unserer Nationalmannschaft, die WM 2010 und den neuen deutschen Fußballpatriotismus kompetent Auskunft geben. Das Interview verlief angeregt, dessen Abschrift fand Eckels fast uneingeschränkte Zustimmung. Nur die des Deutschen Fußballbundes, die Eckel als offizieller Repräsentant der Sepp-Herberger-Stiftung des DFB einholen wollte, stand noch aus ... Dieser Vorgang sollte sich zum Skandal entwickeln: 

Freitag, 18. Juni: Für die Bitte um Vermittlung eine Interviews mit Horst Eckel signalisiert die angesprochene Sepp-Herberger-Stiftung ihre Zustimmung, alles weitere soll am Montag besprochen werden. Die ebenfalls angefragte Pressestelle des 1. FC Kaiserslautern antwortet nicht.

Montag, 21. Juni, ca. 9 Uhr: Die Sepp-Herberger-Stifung macht ihre Zusage rückgängig, ebenfalls sagt der 1. FCK ab. Beide erklären, der JF ein Interview mit Eckel zu verweigern. – Allerdings, sie waren nicht um Erlaubnis, sondern ausdrücklich nur um Vermittlung gebeten worden. Hatten sie Horst Eckel überhaupt gefragt?

Montag, 21. Juni, ca. 11 Uhr: Anscheinend nicht, denn Horst Eckel weiß von all dem nichts und freut sich sichtlich über die Anfrage. Das JF-Gespräch verläuft offenbar zu seiner Zufriedenheit. Seine Fax-Nummer wird erbeten, damit der Text auch ordentlich autorisiert werden kann.

Montag, 21. Juni, ca. 19 Uhr: Horst Eckel hat die Abschrift des Interviewtexts erhalten und ist nach der ersten Durchsicht offensichtlich zufrieden: Kaum etwas, so bestätigt er am Telefon, das er ändern werde. Am Dienstagvormittag wolle er den Text offiziell freigeben. Plötzlich meldet sich die Sepp-Herberger-Stiftung wieder und kündigt an, sie wolle im Einvernehmen mit Eckel den Text ebenfalls autorisieren. Überdies versucht sie, der JF den weiteren Kontakt mit Horst Eckel zu verbieten. Was die Redaktion – nicht zuletzt aus Sorgfaltspflicht gegenüber ihrem Interviewpartner – natürlich ignoriert.

Dienstag, 22. Juni, ca. 10 Uhr: Horst Eckel bestätigt erneut, er sei mit dem Text  weitgehend einverstanden, fügt aber an, daß die endgültige Version tatsächlich von seiten der Herberger-Stiftung zugefaxt werde.  Diese verspricht gegenüber der JF-Redaktion schriftlich: „Sie erhalten im Laufe des Vormittags den freigegebenen Text.“

Dienstag, 22. Juni, 11.39 Uhr – und damit 21 Minuten vor Redaktionsschluß: Der DFB in Frankfurt/Main schaltet sich überraschend ein und verbietet der JF schriftlich – angeblich „nach Rücksprache mit Horst Eckel“ –,das Interview zu veröffentlichen. Als Gründe gibt der Mitarbeiter gegenüber der JF an, es sei journalistisch „unlauter“, im Interview über das Spiel gegen Ghana zu sprechen, bevor dieses stattgefunden habe. – Dumm nur, daß der DFB auf seiner Netzseite selbst bereits über das Spiel spricht. Eine andere Ausrede muß her: „Unlauter“ sei zudem, Eckel trotz Absage des 1. FCK angefragt zu haben. Erneut ignoriert man, daß die JF nie um Erlaubnis, sondern um Vermittlung gebeten hat – und daß Horst Eckel volljährig ist.

Dienstag, 22. Juni, ca. 11.55 Uhr: Ein Anruf der JF bei Horst Eckel bringt ans Licht, daß der DFB offenbar gelogen und versucht hat, Eckel zu manipulieren. Der weiß nämlich weder etwas von einer „Rücksprache“ mit ihm, auf die sich der DFB gegenüber der JF berufen hat, noch davon, daß das Interview zurückgezogen ist. Während des JF-Telefonats mit Eckel klingelt dessen zweiter Apparat: die DFB-Pressestelle. Ohne deren Wissen wird die JF durch diese Situation nun unfreiwillig Ohrenzeuge des Gesprächs (Wiedergabe sinngemäß): Herr Eckel, geben Sie das Interview nicht frei! ... Ich habe heute morgen extra noch einmal mit Südafrika telefoniert! – Und dann läßt der Anrufer die Katze aus dem Sack: Genau der Redakteur, Herr Eckel, hat bereits Theo Zwanziger angegriffen! Was der DFB-Mann Eckel nicht verrät: Es handelt sich um eine Anspielung auf ein Interview des JF-Redakteurs Moritz Schwarz im Sommer 2009 mit DFB-Ehrenpräsident Gerhard Mayer-Vorfelder (JF 31-32/09), das in der Tat – horribile dictu – auch kritische Fragen zu DFB-Präsident Zwanziger enthielt. Bestraft der DFB die JUNGE FREIHEIT also, weil sie es wagte, kritische Fragen zu stellen?

Dienstag, 22. Juni, ca. 12.05 Uhr: Auch die nachträgliche „Rücksprache“ des DFB mit Eckel, in dessen Namen er zuvor der JF „Unlauterkeit“ vorgeworfen hatte, bringt nicht das gewünschte Ergebnis: Eckel beendet das Gespräch und kehrt zurück zum Apparat mit dem immer noch offenen JF-Telefonat, spricht aber immer noch nicht von einer Absage, sondern entscheidet lediglich, den Konflikt in die Hand eines aus seiner Sicht unabhängigen Dritten, der Herberger-Stiftung zu geben, die offenbar sein Vertrauen genießt. Menschlich verständlich – doch natürlich gehört die Herberger-Stiftung zum DFB ...

Dienstag, 22. Juni, 12.15 Uhr: Unter dem Druck des DFB macht die Herberger-Stiftung einen Rückzieher – und verbietet den Abdruck des Interviews.

Dienstag, 22. Juni, 13.51 Uhr: Ein Fax Horst Eckels soll dieses Verbot bekräftigen. Doch die Fax-Kennung weist nicht Eckels Anschluß aus, sondern den der Stiftung in Köln – 265 km von Eckels Wohnort in der Pfalz entfernt. Ist das Fax echt? Mit Rücksicht auf Horst Eckel entscheidet sich die JF-Redaktion, auf den kenntlichen Abdruck des Interviews zu verzichten, den Vorgang aber öffentlich zu machen.

 

Horst Eckel, ist einer der letzten noch lebenden Fußballweltmeister des „Wunders von Bern“. Der damalige „Außenläufer“ (Mittelfeldspieler) holte am 4. Juli 1954 im Wankdorfstadion gemeinsam mit der von Sepp Herberger und Fritz Walter geführten Nationalelf gegen Ungarn (3:2) zum ersten Mal den Fußballweltmeistertitel für Deutschland. Eckel ist heute der letzte Angehörige der damaligen Nationalmannschaft, der sich noch öffentlich äußert. So beriet er etwa Regisseur Sönke Wörtmann für dessen Kinofilm „Das Wunder von Bern“ von 2003. Der 1932 bei Kaiserslautern geborene ehemalige Werkzeugmacher und spätere Realschullehrer nahm 1954 an allen sechs deutschen Spielen der WM teil und wurde zweimal   mit dem 1. FC Kaiserslautern Deutscher Meister.  Seit 1997 ist er zudem Repräsentant der Sepp-Herberger-Stiftung.

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