© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/10 25. Juni 2010

Diam’s schockt die Musikbranche mit Kopftuch und klaren Geschlechterrollen.
Schulter am Gewehr
Martin Lichtmesz

Wenn mein Mann eine Kalaschnikow ist, dann bin ich seine Schulter (...) weil sich die Rollen niemals ändern werden!“ Dieses Bekenntnis singt die 1980 geborene, griechisch-französische Rapperin Mélanie Georgiades alias Diam’s (www.diams-lesite.com) auf ihrem jüngsten Album „SOS“ – und hat damit unter ihren vorwiegend aus den Banlieues stammenden Fans erhebliche Irritation ausgelöst.

Und das nicht nur, weil Diam’s, deren Künstlername sich von „Diamant“ ableitet, in dem Song „Rose du bitume“ (Beton-Rose) die Rückkehr einer traditionellen Rollenverteilung propagiert. Die bereits im Jahre 2000 zum Islam übergetretene Sängerin inszeniert sich nun ostentativ mit dem muslimischen Kopftuch, das seit 2004 in den französischen Schulen verboten ist. „Diam’s wird zu einer wahren Gefahr für die Mädchen aus den Banlieue-Vierteln“, warnte die Staatssekretärin Fadela Amara. Als Präsidentin der Organisation „Ni putes ni soumises“ („Weder Huren noch Unterworfene“), die für die Emanzipation von Frauen aus den Zwängen der islamischen Kultur eintritt, weiß sie jedoch wohl auch, daß das Kopftuch eine zweischneidige Angelegenheit ist: denn in den von Einwanderern dominierten Vorstädten verschafft nur der Schleier Respekt und schützt vor sexuellen Übergriffen.

Diesen „Sexismus“ hat auch Diam’s in ihren Liedern mehrfach thematisiert. Dabei trat sie bisher in einer „emanzipatorischen“, burschikosen Aufmachung auf, mit kurzen Haaren, Kapuzenpulli und Turnschuhen. Trotz des martialischen Bildes der „Kalaschnikow“ ist die eher poppig-sanfte Diam’s allerdings noch weit entfernt davon, zur „Schwarzen Witwe“ des Musikgeschäfts zu werden. Ihr umstrittenes Lied spricht vor allem von der romantisch gefärbten Sehnsucht nach einer Welt, in der Männer wieder Männer und Frauen wieder Frauen sein dürfen, einander ergeben in ewiger Treue und gegenseitigem Respekt: „Du willst König, willst Prinz sein? Also behandle mich wie eine Prinzessin! Du möchtest männlich, du möchtest Boß sein? Also behandle mich wie ein Frau, und ich behandle dich wie ein Mann.“

Obwohl sie politisch deutlich weniger militant als die Rap-Agitatorin Keny Arkana („La Rage“) auftritt, scheut sich Diam’s nicht, etwa den französischen Staatspräsidenten Sarkozy wegen seiner Einwanderungspolitik als „Fascho“ zu bezeichnen. Die von Depressionen und Sinnkrisen heimgesuchte Tochter eines Zyprioten und einer Französin, die sich nach eigener Aussage nie als Französin gefühlt hat, schlägt sich in ihren Liedern natürlich kompromißlos auf die Seite des „farbigen“ Frankreich. Das Video zu dem Song „La France à moi“ zum Beispiel formuliert unverhohlen dessen aggressiven Besitzanspruch gegenüber dem  Frankreich des alternden weißen Mannes. So steht Diam’s auch exemplarisch für die Identitätskrise vieler Immigrantenkinder, denen sich zwischen Linksextremismus und islamischem Traditionalismus kaum ein gangbarer Mittelweg anbietet.

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