© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/10 25. Juni 2010

„Das System muß geändert werden“
Spanien: Im Vertrauen auf das EU-Rettungspaket kaufen Investoren spanische Staatsanleihen / Fundamentalprobleme bleiben
Marco Meng

Die Spekulationen, ob auch Spanien den EU-„Rettungsschirm“ braucht, haben sich vorerst gelegt, nachdem es Madrid gelang, eine zehnjährige Anleihe im Umfang von drei Milliarden Euro und eine 30jährige Anleihe im Volumen von 479 Millionen Euro zu plazieren. Doch der Geldsegen für den spanischen Staat wurde teuer erkauft: Für das zehnjährige Papier werden 4,86 Prozent Zinsen fällig, für das 30jährige 5,91 Prozent. Zehnjährige deutsche Bundesanleihen sind hingegen 1,9 Prozentpunkte billiger für die öffentliche Hand.

Die in Vertrauen auf das EU-Rettungspaket mehrfach überzeichneten Bondemissionen geben Madrid zwar Zeit zum Luftholen, doch das Mißtrauen gegenüber der spanischen Wirtschaft ist nicht verflogen – die geplatzte Immobilienblase, die hohe Verschuldung der Privatwirtschaft und das geringe Produktivitätswachstum sind ungelöste Probleme, die überwunden werden müssen (JF 23/10). Gleichzeitig leiden die spanischen Sparkassen unter dem Anstieg fauler Hypothekenkredite.

Etwa 166 Milliarden Euro sollen sie in den Büchern haben, während der Madrider Bankenrettungsfonds nur 99 Milliarden Euro umfaßt. Die Banken der Euro-Zone hielten Ende 2009 Forderungen in Höhe von 587 Milliarden Euro gegenüber Spanien. Am höchsten sind die Außenstände französischer Banken mit 200 Milliarden Euro, gefolgt von deutschen Finanzinstituten mit 163 Milliarden Euro. Die einfach so abzuschreiben, ist nicht jeder Bank möglich.

Fallende Immobilienpreise, hohe Arbeitslosigkeit

Nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds (IWF) sind zu viele Menschen arbeitslos, zu viele Menschen hätten nur vorübergehend Arbeit und müßten mit befristeten Verträgen leben, kritisierte IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn im spanischen Fernsehen. Diese Unsicherheit belastet die Konsumnachfrage zusätzlich. Doch um den Arbeitsmarkt „effizienter“ zu gestalten, macht die Regierung genau das, was vom IWF angemahnt wurde: Sie will die Zeitarbeit ankurbeln und die mögliche Frist von Zeitarbeitsverträgen von derzeit einem Jahr auf maximal zwei Jahre verlängern. Mangels zahlungskräftiger Nachfrage sinken die Immobilienpreise immer weiter. Für 2012 wird prognostiziert, daß sie dann etwa 30 Prozent unter dem Höchststand von 2008 liegen werden, während die Arbeitslosenquote weiter fast 20 Prozent beträgt. Nur eine Branche verzeichnete in den letzten Monaten einen satten Auftragszuwachs: Inkasso-Unternehmen.

Nachdem die letzten Proteste gegen die geplanten Sparmaßnahmen der spanischen Regierung eher bescheiden ausfielen, beginnt sich der Widerstand langsam zu formieren. Die Gewerkschaft UGT hat für den 29. September zu einem Generalstreik aufgerufen, hinter dem auch die zweitgrößte Gewerkschaft CCOO steht. In dieser Zeit wird der Haushalt 2011 im Parlament beraten, der eine Reihe von einschneidenden Sparmaßnahmen umfassen soll.

Um die eigenen Anhänger davon abzulenken, wagt sich die sozialistische Regierung auch an die „Reichen“ – allerdings anscheinend nur die ausländischen: Inspektoren der balearischen Steuerbehörde haben im Mai bei Razzien in mehreren Sporthäfen auf Mallorca mehr als 30 Luxusjachten wegen Verdacht auf Steuerbetrug festgesetzt. Dabei handelt es sich um im Ausland zugelassene Boote, die jeweils einen Wert zwischen 300.000 und drei Millionen Euro haben.

Unabhängig von dem ganzen „Zittern um Spanien“ wurde vorige Woche erneut deutlich, daß der Euro inzwischen vor allem an den US-Rating-Agenturen hängt – und speziell an einer: Moody’s. Sie ist nämlich die einzige, die Griechenland noch mit einem „A“ bewertet. Würde dieses letzte A-Rating wegfallen, könnten Banken keine griechische Staatsanleihen mehr als Sicherheit bei der Europäischen Zentralbank (EZB) hinterlegen. Selbst der Chefvolkswirt der Deutschen Bank, Thomas Meyer, fordert deswegen: „Das System muß geändert werden.“ Allerdings meint er damit nicht das kollabierte Finanzsystem, sondern lediglich das Rating-Wesen. Ende Juli wird es wieder spannend: Dann muß Spanien Schulden von 16,2 Milliarden Euro zurückzahlen und daher neue Anleihen ausgeben. Aus dem „Kein Bedarf“ für das Rettungspaket kann dann möglicherweise ein „Alternativlos“ werden.

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