© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/10 25. Juni 2010

Werben um linke Stimmen
Zweite Wahlrunde in Polen
Andrzej Madela

Bei seiner Wahl zum Präsidentschaftskandidaten der wirtschaftsliberalen Bürgerplattform (PO) von Donald Tusk sah alles nach einem klaren Sieg für Bronisław Komorowski aus. Doch dann verunglückte der Amtsinhaber Lech Kaczyński mit weiteren Angehörigen der polnischen Führung bei dem Flugzeugabsturz in Rußland (JF 17/10) – und alles wurde anders: Dessen Zwillingsbruder, Ex-Premier Jarosław Kaczyński, kandidierte für seine sozialkonservative Partei PiS. Mit maßvollen und überlegten Reden streifte er das beengende Korsett des unversöhnlichen Parteipolitikers ab. Er zeigte sich als ein über dem Parteienstreit stehender Staatsbürger, dem es um Polens Platz in Europa und ein neues Verhältnis zu Rußland geht.

Der Lohn: Mit 36,5 Prozent landete er dicht hinter Komorowski, der mit 41,5 Prozent deutlich unter den Wahlprognosen blieb. Kaczyńskis Einbruch in die politische Mitte möglichte den zweiten Wahlgang am 4. Juli. Von den übrigen acht Mitbewerbern konnte lediglich der 36jährige Postkommunisten-Chef Grzegorz Napieralski mit 13,7 Prozent ein achtbares Ergebnis erzielen. Er konnte offenbar fast das gesamte derzeitige SLD-Potential für sich mobilisieren und sich so das eigene politische Überleben gegen parteiinterne Gegner sichern.

Besonders blamabel ist das 1,8-Prozent-Ergebnis von Waldemar Pawlak, der als Chef der bäuerlichen Volkspartei (PSL) seit 2007 PO-Koalitionspartner und Vizepremier ist. Er landete damit noch hinter dem libertär-konservativen Kandidaten Janusz Korwin-Mikke, der ohne großen Parteiapparat und Ministerialbürokratie im Rücken immerhin 2,5 Prozent verbuchen konnte. Bei der Parlamentswahl 2007 kam die PSL noch 2007 auf knapp neun Prozent, als Regierungspartner ließ sie sich aber bis zur Unkenntlichkeit marginalisieren. Wichtigste Entscheidungen treffen Tusk und die PO regelmäßig ohne den Koalitionspartner. Die Wahlpleite könnte das Ende der Ära Pawlak bei der PSL einläuten – und so auch Tusks komfortable Regierungskoalition in Schwierigkeiten bringen.

Der zweite Wahlgang wird trotz des Fünf-Prozentpunkte-Vorsprungs von Komorowski spannend. Da die PO nicht auf die PSL-Stimmen zählen kann, muß sie nun Napieralskis Postkommunisten umwerben. Das birgt aber Gefahren für den Charakter der versprochenen Präsidentschaft. Dies könnte daher die Stunde des Jarosław Kaczyński werden.

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