© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/10 25. Juni 2010

LOCKERUNGSÜBUNGEN
Neubesinnung
Karl Heinzen

Die Umfragewerte der FDP gehen weiter in den Keller. Fänden jetzt Neuwahlen statt, müßte sie um den Wiedereinzug in den Deutschen Bundestag bangen. Das ZDF-Politbarometer sieht sie mit drei Prozent sogar schon als einen hoffnungslosen Fall. Hält dieser Trend an, ginge es für sie in Zukunft nicht mehr darum, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen oder gar in eine Regierung einbezogen zu werden, sondern sich im Wettkampf mit der Piratenpartei als die glaubwürdigere Sachwalterin der Bürgerrechte durchzusetzen.

Das Popularitätstief der FDP kommt dabei nicht der Union zugute. Es ist vielmehr sogar wahrscheinlich, daß schon in Kürze zwei Drittel der Bürger einer der derzeitigen Oppositionsparteien im Bundestag zuneigen werden. Dies erschwert die Regierungsarbeit, sagt aber nichts über ihre Qualität aus. Zunächst ist allein der Beweis erbracht, daß Union und FDP auch vor einer unpopulären Politik nicht zurückschrecken und damit ihren Ankündigungen im Wahlkampf Taten folgen läßt.

Da die parlamentarische Existenz der FDP bedroht ist, kann ihr niemand zum Vorwurf machen, daß sie nun ihre uneigennützige Grundsatztreue zurückstellt und nach Möglichkeiten sucht, sich gegenüber den Wählern als unentbehrlich zu präsentieren. So schlägt die Fraktionsvorsitzende Birgit Homburger vor, nach neuen Inhalten zu suchen, die den Bürgern vielleicht besser gefallen. Die FDP solle ihre Fixierung auf das Thema Steuersenkungen lassen und statt dessen insbesondere Bürgerrechte, Datenschutz und Bildung als neue programmatische Schwerpunkte verkünden. Mit diesem Vorstoß bestärkt sie jedoch eher Kritiker, die in ihr einen Teil des Problems sehen. Sicherlich ist es angesichts der prekären Haushaltsengpässe wirklichkeitsfremd, für Steuersenkungen einzutreten, und die Bürger haben dies auch bereits um jüngsten Bundestagswahlkampf als grotesk empfunden. In einer Lage, in der die allermeisten um ihren Lebensstandard fürchten müssen, will aber auch niemand etwas von Schönwetterthemen wie Datenschutz oder Bildung hören. Jeder sucht vielmehr nach einer Partei, die dafür Sorge trägt, daß er als Gewinner und nicht als Verlierer aus der Krise hervorgeht. Hier und nirgendwo anders ist der Ansatzpunkt für ein Wiedererstarken der FDP zu finden. Sie war stets die Interessenvertretung der besser verdienenden und daher dynamischeren Eliten unserer Gesellschaft, die sie vor allzu viel Umverteilung schützte. Auf diese ureigene Kernrolle im Parteienspektrum müssen sich die Liberalen wieder besinnen.

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