© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/10 25. Juni 2010

Der Krieg, der nicht enden will
Im Juni 1950 begann der Bürgerkrieg auf der Halbinsel Korea / Auch sechzig Jahre danach gibt es nicht mehr als einen Waffenstillstand
Detlef Kühn

Der Kalte Krieg, die Auseinandersetzung zwischen den kommunistischen Staaten und der westlichen Welt nach 1945, ist in Europa nur noch ein Thema für Historiker. Seit dem Ende der Sowjetunion 1991 sind die von ihm betroffenen Völker damit beschäftigt, mit seinen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlich-mentalen Folgen fertigzuwerden. Konkrete Gefahren für den Weltfrieden gehen von ihm nach allgemeiner Ansicht nicht mehr aus. Dieses Kapitel gilt als abgeschlossen.

In diesen Tagen besteht jedoch Anlaß, sich der Relikte des Kalten Krieges zu erinnern, die noch nicht entschärft sind. Dies gilt – neben Kuba – vor allem für die Situation auf der koreanischen Halbinsel. Hier erwies sich vor genau sechzig Jahren, daß der Kalte Krieg durchaus nicht so harmlos war, wie es der Name nahelegt. Es bestand stets die Gefahr, daß  Spannungen in militärische Auseinandersetzungen ausarten. So geschah es 1950 in Korea. Später folgte der Krieg in Vietnam, dessen desaströser Ausgang die US-Amerikaner noch heute traumatisiert. Weniger bekannt sind die Konflikte in Afrika (Angola, Mosambik). Es waren durchaus nicht nur Stellvertreter-Kriege, wie gerade der Koreakrieg beweist, in dem sich an der Seite Südkoreas und der USA zahlreiche Staaten militärisch engagierten.

Idee zweier US-Stabsoffiziere wurde zum Konfliktherd

Wie konnte es dazu kommen? Korea, ein jahrtausendealtes Kulturland, war seit 1910 faktisch eine Kolonie Japans. Als Japan 1945 den Weltkrieg verloren hatte, hofften viele Koreaner auf Befreiung und Wiedererrichtung ihres Nationalstaats. Die amerikanischen Sieger hatten allerdings Probleme. Sie hatten nicht genügend Kräfte zur Verfügung, um nach der plötzlichen Kapitulation der Japaner infolge der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki alle japanischen Truppen zeitnah entwaffnen und die wichtigsten Teile Japans besetzen zu können. Für Korea blieben nur geringe Kräfte übrig. In ihrer Not erinnerte sich die amerikanische Führung des Versprechens von Josef Stalin auf der Konferenz von Jalta, nach dem Sieg über Deutschland in den Krieg in Ostasien an der Seite der USA einzutreten. Die Sowjetunion, so schlug Washington vor, könne ja nun die Entwaffnung der Japaner im nördlichen, an die Sowjetunion angrenzenden Teil Koreas übernehmen. Stalin ließ sich nicht lange bitten und erfüllte seinen Waffenbrüdern in Europa diesen Herzenswunsch. Nachdem er noch schnell im August 1945 Japan den Krieg erklärt hatte, besetzte die Rote Armee die an Industrie und Bodenschätzen reiche nördliche Hälfte der koreanischen Halbinsel. Die Amerikaner kümmerten sich um die mehr agrarisch geprägte Südhälfte Koreas. Als Demarkationslinie wurde der 38. Breitengrad bestimmt – eine Idee zweier US-Stabsoffiziere. Das Unglück nahm seinen Lauf.

Stalin begann sofort, ebenso wie in Osteuropa mit Hilfe einheimischer Kommunisten in seiner asiatischen Einflußsphäre ein Satelliten-Regime zu etablieren. Sein Statthalter war Kim-Il-Sung, der in der Roten Armee als Offizier gedient hatte. Dessen Traum war, ganz Korea unter seiner Führung zu einen. Dafür mußte er das von den Amerikanern im Süden etablierte Regime des koreanischen Politikers Syngman Rhee beseitigen, der aus dem Exil zurückgekehrt war und sich auf Geschäftsleute und Großgrundbesitzer stützte. Stalin, dessen Unterstützung Kim selbstverständlich brauchte, zögerte anfangs, willigte aber dann doch 1950 ein. Am 25. Juni griff der Norden am 38. Breitengrad auf breiter Front an.

Dieser Krieg forderte ungeheure Opfer. Die USA waren unmittelbar herausgefordert und reagierten entschlossen. Nach einem halben Jahr griff das kommunistische China in die Kämpfe ein, um den Nachbarn Kim-Il-Sung und sein Regime zu retten. Dreimal überrollte die Kriegsfurie das Land. Dreieinhalb Millionen Koreaner und eine Million Chinesen starben durch Kriegseinwirkung. Immerhin auch fast 37.000 Amerikaner wurden getötet, über 100.000 verwundet. Der amerikanische Oberbefehlshaber in Fernost, General Douglas MacArthur, war sogar entschlossen, Atomwaffen gegen chinesische Städte einzusetzen, weil er sicher war, den Krieg konventionell nicht gewinnen zu können. Es ist das Verdienst des damaligen US-Präsidenten Harry S. Truman, seine Zustimmung verweigert zu haben. Er wollte nicht noch ein zweites Mal in seinem Leben diese Verantwortung übernehmen. Es dauerte drei Jahre, bis die Front wieder am 38. Breitengrad zum Stehen kam und – nach Stalins Tod – endlich ein (stets brüchiger) Waffenstillstand ausgehandelt werden konnte. Dieser gilt noch heute. Das Land ist seitdem geteilt, schlimmer als es Deutschland je war. Südkorea entwickelte sich zu einer wirtschaftlich prosperierenden Demokratie, der Norden zu einer totalitären Diktatur, die ihre Bevölkerung nicht aus eigener Kraft ernähren, aber dafür wahrscheinlich Atomwaffen bauen kann. Als absolutes Novum führt die Familie Kim dort die erste kommunistische Erbmonarchie ein. Der Norden wie der Süden halten am Ziel der Wiedervereinigung fest, fürchten aber gleichzeitig ihre Folgen.

Bundeswehr-Gründung war eine Folge der Koreakriegs

Der Koreakrieg hatte auch folgenschwere Auswirkungen auf die Lage in Europa. Im geteilten Deutschland war man sicher, daß sich so etwas in Mitteleuropa wiederholen könnte. Die Westmächte und die Bundesregierung in Bonn einigten sich daher bereits im Dezember 1950 grundsätzlich auf die Wiederbewaffnung der Westdeutschen. So war dieser Krieg tatsächlich „Geburtshelfer“ für die Bundeswehr (Rolf Steininger). Darüber hinaus beweist der noch immer nicht beendete Krieg, wie aus vermeintlich unwichtigen politischen und militärischen Fehlentscheidungen einer Weltmacht – in diesem Fall der USA 1945 – Folgen entstehen, die noch heute den Frieden bedrohen.

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