© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/10 02. Juli 2010

Ab in die Versenkung
Vorteil links: Der Ämterverzicht von Jürgen Rüttgers liegt in der Logik eines amputierten Parteienystems
Thorsten Hinz

Die politische Karriere von Jürgen Rüttgers findet gerade ein schmähliches und damit gerechtes Ende. Nachdem der CDU-Politiker bereits mitgeteilt hat, bei der Wahl des NRW-Ministerpräsidenten im Düsseldorfer Landtag nicht gegen SPD-Landeschefin Hannelore Kraft antreten und auch nicht Fraktionsvorsitzender werden zu wollen, kündigte er nun vergangenen Donnerstag seinen Rückzug von allen politischen Ämtern an. Im November dieses Jahres wird der 58jährige seinen Platz als stellvertretender Parteichef der Bundes-CDU freiräumen und im Frühjahr 2011 den Landesvorsitz der NRW-CDU abgeben. Was von ihm bleibt? Vor allem die Erinnerung, daß Nordrhein-Westfalen unter dem Christdemokraten Rüttgers muslimischer geworden ist. Im übrigen zählt er zu jenen politischen Neutra, die heute absurderweise „bürgerliches Lager“ heißen.

Unterdessen wird eine rot-grün-rote Zählkoalition Hannelore Kraft voraussichtlich Mitte Juli zu Rüttgers Nachfolgerin wählen. SPD und Grünen wegen ihrer Kungelei mit der Linkspartei deshalb jetzt „Wortbruch“ vorzuwerfen, ist der alberne Versuch, die Politik zu sentimentalisieren. Das hat in Hessen im Fall Andrea Ypsilantis zwar geklappt, als sich die ebenfalls wortbrüchige SPD-Frau mit den Stimmen der Linkspartei zur Regierungschefin wählen lassen wollte und damit dank Abweichlern in den eigenen Reihen gescheitert ist. Doch damit hat sich der Vorhalt auch abgenutzt. Das amputierte Parteiensystem begünstigt nun einmal das linke Spektrum. Es war nur eine Frage der Zeit, daß es den strategischen Vorteil zur konkreten Machtergreifung nutzt. Wem die SPD und Grünen nicht links oder sozial genug sind, der kann die Linkspartei wählen. Wer dagegen die Union und FDP zu sozialdemokratisch oder islam-affin findet, kann nur zu Hause bleiben und die linke Mehrheit bestärken.

Damit haftet noch Rüttgers’ Ämterverzicht, der eigentlich erfreulich ist, etwas Deprimierendes an. Eine politische Lusche verschwindet in der Versenkung, doch das System sorgt dafür, daß an ihre Stelle sofort neue treten.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen